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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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und ich ... Wir sind nach Coupeville gefahren, gleich nachdem wir mit dir gesprochen haben. Also natürlich erst am nächsten Tag, denn wir konnten ja schlecht abends hin, weil sie da schon geschlossen hatten.«
    »Und?«
    »Und sie haben uns gesagt, wo der ganze Kram hingeht. Zu einer Sammelstelle in Burlington. Dann sind wir da hingefahren. Aber in Burlington haben sie uns erklärt, dass der Abfall und Sperrmüll von der ganzen Insel bei ihnen landet, sogar von Camano Island und den Städten aus dem Umkreis. Und selbst das sei noch nicht die Endstation. Meistens geht er noch in den Osten von Washington ...«
    Sei still, sei still, sei still, sei still... denn du bist schuld ...zu spät... kapierst du das endlich, Becca ?
    Diesmal war das Flüstern so vollständig und so deutlich und sprach Derric so eindeutig aus der Seele, dass es Becca den Atem verschlug. Sie spürte einen plötzlichen stechenden und unbekannten Schmerz und legte die Hand auf den Bauch. Derric fragte: »Was ist los?« Jetzt spielt sie auch noch die Drama Queen ... aber das zieht bei mir nicht... dass du's nur weißt.
    Sie griff sich wieder an den Bauch, diesmal etwas fester. Es kam ihr vor, als wären seine Gedanken kleine Lebewesen, die in ihren Körper eindrangen und sich dort festsetzten. Aber diese Wesen waren hungrig und fingen an, an ihr zu nagen, und das, dachte sie, konnte nicht normal sein.
    Sie redete weiter: »Also, wir sind nach Burlington gefahren und haben ihnen gesagt, dass wir den Sitzsack suchen. Seth hat richtig Theater gemacht, also haben sie uns suchen lassen, obwohl sie vorher gesagt hatten, er wäre nicht mehr da. Aber da war so viel Abfall ... Wie hätten sie überhaupt wissen können, dass er nicht mehr da ist?«
    Weil die nicht so blöd sind wie du.
    »Bitte«, flüsterte sie. »Sei ein bisschen fair.«
    »Fair? Wann warst du jemals fair zu mir?«
    »Tut mir leid. Tut mir leid. Ich wollte nur sagen, dass wir auch in den Osten von Washington hätten fahren können, und das wollte ich auch, und Seth wär auch mit mir hingefahren, aber inzwischen würden da Tonnen von Müll und Abfall herumliegen, und bis wir dort angekommen wären, hätten die Bulldozer sowieso schon alles platt gemacht.«
    Da sah Derric sie an. Vorher hatte er weggeschaut, zum städtischen Zentrum für Darstellende Kunst, wo auf der Markise die Inszenierung von Cyrano de Bergerac angekündigt war. Da fiel Becca wieder der Film Roxanne ein und die Stadt Nelson in British Columbia, wo er gedreht worden war. Und sie musste an ihre Mutter denken, die sich seit letztem September dort aufhielt. Warum, warum, warum, warum war sie noch nicht wieder da, um Becca, ihre Tochter, hier wegzuholen und mit ihr irgendwo hinzugehen, wo sie sicher sein würden und ein neues Leben beginnen könnten? Sie kämpfte gegen die Tränen an und sagte dann: »Tut mir leid«, obwohl sie in diesem Augenblick gar nicht wusste, bei wem sie sich eigentlich entschuldigte: bei Derric, bei sich selbst, bei ihrer Mutter oder bei allen dreien? Aber was nützte es schon, dass es ihr leid tat? Was sie am meisten bereute, war die Tatsache, dass sie das Flüstern ihres Stiefvaters gehört hatte, aus dem sie geschlossen hatte, dass sie selbst und ihre Mutter in Gefahr waren. Was, wenn sie das genauso vermasselt hatte wie ihre Beziehung zu Derric und die Sache mit den Briefen an seine Schwester? Das würde dieser ganzen unseligen Geschichte noch die Krone aufsetzen.
    »Ja«,war Derrics Kommentar. Aber das war weniger als Zustimmung gemeint, sondern eher als Abschluss. Er drehte sich um und ging zurück auf das leere Grundstück zu Josh. Sie sah zu, wie er sich entfernte, mit gesenktem Kopf und den Fäusten in den Hosentaschen, und sie fragte sich, ob das elende Gefühl, das sie gerade übermannte, je übertroffen werden könnte. In dem Augenblick schien das unmöglich.

 
TEIL VI
    SANDY POINT

Cillas Welt
    I ch folge immer dem Geruch des Salzwassers. Schließlich erreiche ich eine Kreuzung, wo ich dem Drang nachgebe, eine Straße entlangzugehen, die nach rechts abfällt und steil bergab geht. Sofort spüre ich den hohen Salzgehalt der Luft. Ich komme zu einer Biegung, dann zu einer weiteren, zu einer Haarnadelkurve und dann zu einer weiteren. Die Bäume ragen bedrohlich zu beiden Seiten der Straße empor, und der Asphalt glänzt vom Regen.
    Als das Gefälle abnimmt, wird die Straße gerade und ein Kiesweg windet sich durch die Bäume hindurch. In der Ferne leuchtet ein schwaches Licht. Ich gehe

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