Wetterleuchten
herangekommen. Jenn bildete sich ein, sie könnte seine geisterhaften Umrisse erkennen.
Der Abschlusstauchgang dauerte nicht so lange, wie sie gedacht hatte. Chad ging mit ihr durch, was sie unter Wasser zu tun hatte, und tat das Gleiche mit Fettarsch. Dabei konnte sie erkennen, dass er um sein Mundstück herum lächelte, was hieß, dass Fettarsch alles richtig machte. Nachdem sie fünfzehn Minuten lang Teile der Ausrüstung verloren und wieder zurückgeholt hatten, und sie ihm gezeigt hatten, dass sie sich im Falle einer Fehlfunktion problemlos Teile der Ausrüstung teilen konnten, gab Chad ihnen endlich sein Okay.
Dann zeigte er nach unten, wo Annies Kamera noch immer Fotos machte. Erst zeigte er auf sie beide, dann auf sich selbst, und dann machte er eine ruckartige Kopfbewegung. Es war nicht schwer zu erraten, was er von ihnen wollte. Da sie mit ihrem Lehrer im Wasser waren, konnten sie auch tiefer tauchen. Ob sie sehen wollten, was Annie gefunden hatte?
Jenn wollte nicht; wen interessierte schon Eddie Beddoes Boot? Doch Becca nickte begeistert, als hätte sich das Boot plötzlich in die Titanic verwandelt. Von mir aus, dachte Jenn. Es würde ja nicht lange dauern, und das Wasser war ruhig.
Sie tauchten zum Boot. Je näher sie kamen, desto mehr nahm es Gestalt an. Es war nur noch der Schiffsrumpf übrig, der von der starken Strömung der Saratoga-Passage hierher getrieben worden war. Da sah Jenn ein riesiges Loch im Rumpf. Es war, als hätte ein Torpedo das Boot getroffen, den Rumpf durchdrungen und alles unter Deck überflutet. Das Boot war sicher innerhalb von Minuten gesunken. Eddie Beddoe hatte Glück gehabt, dass er nicht ertrunken war.
Jenn sah, wie Annie zu den Überresten der Brücke hinschwamm, und die Blitze ihrer Kamera wurden von etwas zurückgeworfen, das auf dem Grund der Passage lag. Es kam ihr komisch vor, dass etwas in dieser Tiefe das Licht so stark reflektieren konnte. Sie tauchte darauf zu, als plötzlich ein dunkler Schatten über sie hinweg glitt.
Jenn wirbelte herum, um Fettarsch zu sagen, dass sie nicht so nahe an sie heranschwimmen sollte. Sie hatte keine Lust, von ihr beobachtet zu werden, wie jemand, der jeden Augenblick in Not geraten und Hilfe brauchen könnte. Doch dann sah sie, dass die Fettkuh weit weg und auf gleicher Höhe mit ihr tauchte. Was da über sie hinweg geschwommen war, musste also etwas anderes gewesen sein.
Plötzlich begann Annie, ein Foto nach dem anderen zu machen, und ein wahres Blitzgewitter drang durch das Wasser. Das kam Jenn angesichts des Motivs etwas übertrieben vor. Wozu brauchte sie Dutzende von Fotos eines alten Bootes?
Weniger als dreißig Sekunden später bekam Jenn ihre Antwort. Etwas streifte sie, und eine Sekunde lang dachte sie, es wäre Fettarsch. Dann leuchtete erneut ein Blitz aus Annies Kamera auf, und Jenn konnte die Robbe sehen.
Einen Augenblick lang hing Nera über ihr im Wasser wie eine Boje. Doch dann passierte es. Nera schoss auf sie zu.
Sie holte kurz aus und raste dann - schnell wie eine Pistolenkugel - direkt auf Jenns Gesicht zu. Jenn dachte, keine Panik, keine Panik, keine Panik, es ist nur eine Robbe. Doch dann erreichte die Robbe sie, und die Ereignisse überschlugen sich.
Atemmaske und Mundstück wurden ihr so brutal vom Gesicht gerissen, dass sie fast auch ein paar Zähne verloren hätte. Die Luftblasenbildung um sie herum war so stark, dass sie nichts mehr sehen konnte. In Todesangst tauchte sie zur Oberfläche hoch. Sie dachte, ihre Lungen würden platzen. Hektisch paddelte sie mit den Beinen, um an die rettende Luft zu gelangen.
Da hielt sie etwas an ihren Fußgelenken fest. Nera! Sie versuchte, die Robbe abzuschütteln. Sie trat so heftig, wie sie nur konnte, und verlor dabei eine Flosse. Sie dachte nur noch daran, Luft zu bekommen. Verzweifelt versuchte sie, sich loszureißen, aber sie schaffte es nicht. Da wusste sie, dass sie ertrinken würde.
Doch dann merkte sie, dass es anders war. Zwei Hände umfassten ihr Fußgelenk und zogen daran. Sie sah hinunter und erkannte, dass es Fettarsch war, die sie festhielt, und sie dachte sofort, Klugscheißer-Fettarsch will mich umbringen! Deshalb trat sie noch fester um sich und in Beccas Gesicht. Sie traf ihre Maske, die sich von ihrem Gesicht löste und davontrieb.
Doch die Fettkuh ließ nicht los. Boah, dachte Jenn, sie ist kräftig wie ein Ringer. Je mehr sie sich wehrte und versuchte loszukommen, desto fester wurde der Griff des anderen Mädchens um ihr Fußgelenk.
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