Wetterleuchten
sie gedacht, dass Becca mal irgendetwas anderes für sie sein würde als Klugscheißer-Fettarsch.
Becca grüßte sie, indem sie die Hand hob. Sie verzog das Gesicht, um zu zeigen, dass es ihr gar nicht gefiel, wie Ivar sie zur Schau stellte. Jenn winkte ihr zu, dass sie sich zu ihr und Annie setzen sollte, während sie sich zwei Stühle nahmen. Doch Becca gab ihr durch Lippenbewegungen zu verstehen, dass sie nicht konnte, und zeigte auf Ivar. Wahrscheinlich brauchte er sie zur Veranschaulichung seiner Argumente.
Er sagte gerade: »Wie oft muss ich das noch sagen, Leute? Wir sprechen hier von einem wilden Tier, mit der Betonung auf >wild<. Und wenn man sich ihr nähert, dann kann man verletzt werden. Und zwar schlimmer als das Mädchen hier. Kapiert ihr es jetzt? Deshalb ist das Wichtigste, die Leute von der Robbe fernzuhalten. Zeitungsartikel reichen da offensichtlich nicht aus. Wahrscheinlich müssen wir an jedem Strand Schilder aufstellen.«
Da rief eine Frau: »Wenn ihr mich fragt, dann sollte man das Tier erschießen. Vielleicht hat es ja Tollwut.«
Jemand anders rief zurück: »Fische kriegen keine Tollwut.«
Ein Dritter lachte höhnisch auf und gab zurück: »Robben sind doch keine Fische, du Trottel.«
In dem Moment sagte Annie zu Jenn: »Ich muss es ihnen erklären ...« Damit stand sie auf und rief über die anderen Stimmen hinweg: »Hört mir alle mal zu! Es war bloß ein Unfall. Keiner wurde verletzt.«
»Seht euch doch das Auge von dem Mädchen an!«
»Ein Stück weiter oben, und sie wäre jetzt blind!«
»Die Robbe war bloß neugierig«, beharrte Annie. »Das liegt in ihrer Natur. Robben sind verspielt, und wenn ...«
»Das nenne ich nicht >verspielt<, sondern gemeingefährlich.«
»Sie hätten sich fernhalten sollen«, beharrte Ivar.
»Wir sind ihr gar nicht absichtlich zu nahe gekommen, Mr Thorndyke. Wir sind getaucht, um ein Boot zu suchen. Chad Pederson kann das bestätigen. Wir machten gerade Fotos für den Besitzer, als plötzlich die Robbe auftauchte.«
Da sprang Eddie Beddoe auf. Er hatte alleine für sich am anderen Ende des Raums gesessen. Er rief: »Dazu habt ihr kein Recht! Keiner von euch! An meinem Boot habt ihr nichts zu suchen.«
Da runzelte Jenn die Stirn. Was zum Teufel ...? Sie war doch dabei gewesen, als er Annie in seiner Werkstatt aufgefordert hatte, nach dem verdammten Ding zu suchen. Und das Boot war sowieso schon halb verfallen. Was regte er sich dann so auf?
Chad rief zurück, Eddie habe doch gewollt, dass Annie Taylor sein Boot findet. Was hatte er denn jetzt für ein Problem? Wie hätte sie das denn ganz ohne Hilfe und ohne ein Boot schaffen sollen?
»Ich hab nicht vier Leuten gesagt, dass sie mein Boot suchen sollen«, gab Eddie zurück und wirbelte herum, um Chad in der Menge zu suchen. »Deshalb sagt mir jetzt sofort, was ihr da zu suchen hattet.«
»Darum geht es doch gar nicht«, beharrte Annie. »Wir haben das Boot zusammen gefunden, wir sind getaucht, um ein paar Fotos zu machen, und da kam plötzlich die Robbe angeschwommen. Mehr nicht.« Sie ging nach vorne, wo Ivar eine PowerPoint-Präsentation vorbereitet hatte und sich die allseits bekannten Fotos der schwarzen Robbe auf dem Bildschirm abwechselten. Sie reichte ihm ihre Digitalkamera und sagte: »Hier. Zeigen Sie die. Bitte«, und er nahm die Kamera widerwillig entgegen. Annie ging die Fotos durch, die kurz danach auf der Leinwand erschienen, bis sie das Foto fand, dass sie gesucht hatte. Es war eine Nahaufnahme, auf der Nera - schwarz wie die Nacht - in die Kamera blickte. Annie erzählte den Anwesenden, wie nahe sie an Nera herangekommen war, um dieses Foto machen zu können, und dass die Robbe gar keine Angst vor ihrer Kamera gehabt hätte, und dass der Zwischenfall mit Becca und Jenn unter Wasser eine Ausnahme gewesen sei und sich bestimmt nicht wiederholen würde.
Danach wurde viel diskutiert und gestritten. Jenn sah sich das Foto von Nera genauer an. Ihr lief ein Schauer über den Rücken, und die Haare auf ihren Armen stellten sich auf. Irgendetwas war da in den Augen der Robbe. Sie wusste nicht, was es war, aber sie konnte es genau sehen.
Sie sah zu Becca hinüber, die sich genau in diesem Augenblick ebenfalls zu ihr umwandte. Ihre Blicke trafen sich und Becca nickte. Sie hatte es auch gesehen.
Ivar sagte gerade: »Sie behaupten, sie sei nicht gefährlich, Miss Taylor, aber Becca war im Wasser, als Nera aufgetaucht ist, genauso wie Jenn da drüben. Vielleicht sollten sie uns erzählen,
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