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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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Schminken, legte säuberlich das Kleid zusammen, ging nach hinten zur Kofferklappe, betätigte einen Knopf und verstaute das Kleid im Kofferraum. Während sie die Klappe wieder schloss, wanderte ihr Blick von einem Ende der Straße zum anderen. Interessiert betrachtete sie die noch verbliebenen Gesichter. Falls sie überhaupt irgendeine Reaktion in ihnen las, ließ sie es sich nicht anmerken. Einen kurzen Moment kreuzte sich ihr Blick mit dem meines Onkels. Er zwinkerte ihr kaum wahrnehmbar zu, doch sie musste es mitbekommen haben, denn sie quittierte es mit einem schwachen Lächeln, als sie wieder ins Auto stieg. Sie gab dem jungen Mann einen freundschaftlichen Knuff, und er drehte sich zu ihr, griff sie an den Schultern und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Wange. Der Motor heulte auf, und das Auto schoss los. Im Handumdrehen war es auf und davon, und ich war alt genug, um zu wissen, dass es nicht wieder auftauchen würde.
    Später — wir hatten unsere Makrelen gegessen — machten wir uns auf den Weg, um die Kühe zum abendlichen Melken heimzutreiben. Das war die Tageszeit, die ich am meisten mochte. Die Vormittags- und Nachmittagsstunden wollten nicht vergehen und zogen sich endlos hin, aber war erst mal abends das Melken erledigt, bestand Aussicht auf kleine Abenteuer. Wir radelten zur Anlegestelle und schauten den Hummerfischern zu, die mit ihren Booten hereinkamen, oder gingen in den Pub und hörten ganz einfach den Gesprächen zu.
    An dem berüchtigten Abend entschieden wir uns für den Pub. Schon beim Essen hatte mein Onkel gesagt, es würde niemals mehr so sein wie zuvor. »Na gut, wenn auch nicht niemals, so doch mindestens für eine lange, lange Zeit.« Ich hatte wissen wollen, wie er das meinte.
    »Nun ja, ich weiß auch nicht recht, wie ich das erklären soll, aber das Mädchen, das wir da gesehen haben, hat alles verändert.«
    »Inwiefern?«
    »Du machst mich ganz schwach mit deiner Fragerei«, hatte er versucht, mich abzuwimmeln. »Wie soll ich das beantworten können? Ist das der Dank dafür, dass ich in der Küche gestanden und uns Makrelen gemacht habe?«
    »Hast du nicht Angst, ich könnte dumm bleiben?« Ich versuchte, ihn mit seiner eigenen Redensart zu schlagen, die er immer drauf hatte, wenn ich wenig Interesse für Dinge bekundete, die er für wichtig hielt. Er ging aber nicht darauf ein und sagte nur: »Warte ab. Wirst schon sehen.«
    Wir waren früher im Pub als sonst. Bevor wir das Haus verließen, rasierte er sich, was ungewöhnlich war. Die meisten Männer im Dorf rasierten sich nur zum Wochenende oder zu Festtagen.
    Drinnen im Pub war es kühl. Neben der Tür stand eine lange Holzbank. Wir setzten uns und bestellten einen Pint Stout und eine Flasche Limonade. Außer uns waren noch zwei andere Gäste da. Der eine war der Sohn eines Bauern, den ich vom Sehen her kannte, und der andere war der junge Hilfslehrer aus der Jungenschule des Dorfes.
    »Das hat heut manchem zu denken gegeben«, meinte der Wirt, als er die Getränke gebracht und das Geld kassiert hatte.
    »Das kann man wohl sagen«, pflichtete ihm mein Onkel fromm bei, »und wenn das Wetter so bleibt, hält der Zustand auch noch morgen an.«
    Ich konnte dem nur entnehmen, dass er in Topform war. Derartige Bemerkungen waren bei ihm nichts Ungewöhnliches. Niemand konnte mit seinen Worten wirklich etwas anfangen. Den ganzen Abend würde er so fortfahren und die nichtssagende Unterhaltung auf seine Weise würzen.
    Der junge Lehrer, der nicht aus dem Ort stammte, leerte sein Glas und bestellte ein neues. Er war offensichtlich zu Streit aufgelegt.
    »Wieder dieser Miesmacher«, flüsterte mein Onkel.
    »Wie fandet ihr den Striptease heute?« Niemand reagierte auf seine provokante Frage. Er ging zum Fenster und schaute hinaus.
    »Hier ist einfach nichts los«, meckerte er rum.
    »Für Sie vielleicht nicht«, sagte mein Onkel und ging zu ihm ans Fenster hinüber. Zu dritt sahen wir hinaus auf die Straße.
    »Alles öde und verlassen«, kommentierte der Lehrer.
    »Schrecklich leer«, bekräftigte der Onkel.
    Ein Pärchen kam die Straße hinaufgeschlendert.
    »Ausgerechnet die Flatface«, moserte der Lehrer. Flatface war der Spitzname für Mrs. O’Brien. Sie war die mit den meisten Kindern im Dorf. Nicht, dass sie eine attraktive Frau war, und von ihrem Mann konnte man das auch nicht gerade sagen. Doch heute Abend sah Mrs. O’Brien völlig anders aus. Sie hatte Make-up aufgelegt, und auch das Haar war frisch gewaschen und

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