Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
Gianna wirst du nicht viel merken.“
Das Mädchen lachte halbherzig.
KAPITEL IV
McLeish rieb sich die Hände. Alles klappte vorzüglich, besser, als er gehofft hatte. Dass er sie vor ein paar Tagen so angefahren hatte, bedauerte er. Zumal sie im Recht gewesen war. Auch er begann zu ahnen, dass hinter Giannas schönem Äußeren eine geltungssüchtige, frustrierte und irgendwie ordinäre Frau steckte. Ordinär wie eine Frau, die schon bessere Tage gesehen hatte und sich nicht damit abfinden konnte, dass sie unwiederbringlich vorbei waren.
Das Personal ansonsten war vorzüglich, innerhalb von Tagen, fast von Stunden, hatten sich alle eingelebt und dank Camillas Freundlichkeit hatte sich in der Gruppe ein festes Gefüge etabliert – die Gründer, die Vorkämpfer, die Männer und Frauen der ersten Stunde. Etwas von diesem Gefühl schwappte auch auf McLeish über. Keine Frage – dass alles so gut klappte, war Camilla, und nur ihr, zu verdanken. Mit viel Knurren und bissigen Bemerkungen hatte Gianna berichtet, mit welchem Nachdruck Camilla ihr alles einpaukte; ihr Wortlaut war allerdings ein anderer.
Eine Chance wollte er ihr noch geben; ein, zwei Wochen. Wenn dann nicht eine Wende eintrat, musste er sich privat und beruflich von Gianna trennen, so weh es – privat – auch tun würde.
Eine Frau wünschte er sich sehr. Er ging stark auf die Fünfzig zu; es wurde Zeit. Diese hätte ihm gut gepasst, im Bett war sie eine Kanone und ihr Aussehen hatte etwas Königliches. Bis sie den Mund aufmachte… Und würden ihre raffinierten Kunststücke im Bett die Zeiten überdauern? Oder – umgekehrt? Was, wenn sie überhaupt nur eine Show abzog, um reich und angesehen zu heiraten?
Fragen, Fragen.
Er musste mit jemandem über dieses Thema sprechen, am liebsten mit Camilla; aber deren Meinung kannte er schon im Voraus. Am besten, er vertrug sich erst einmal wieder mit ihr. Die letzten Tage hatte sie kein Wort mit ihm gesprochen, alles Dienstliche hatte Gianna ihm ausgerichtet. Er schrieb auf einen Zettel:
Erwarte Sie heute Abend zum Whisky.
Versöhnung nicht ausgeschlossen.
McLeish.
Vom Schlüsselbrett nahm er seinen Satz Zweitschlüssel, klopfte an ihre Tür und schloss auf, als er keine Antwort hörte. Bestimmt hockt sie wieder im Pub, dachte er.
Seit sie bei ihm wohnte, hatte er diese Räume nicht wieder betreten. Er sah sich um. Sie hatte sich verschiedene Möbel vom Speicher geholt und sie geometrisch im Raum verteilt. Obwohl es eigentlich seine, beziehungsweise die Möbel seiner Vorfahren waren, strahlte der Raum die Persönlichkeit und Eigenart Camillas aus; die Wahl der Farben, nichts stand diagonal oder wirkte verspielt.
Er schlich auf Zehenspitzen in ihren Schlafraum; auch hier peinlich Ordnung bis auf das hingeworfene Nachthemd. Er nahm es vom Fußende des Bettes und roch daran. Jäh überfiel ihn Traurigkeit – dass er sie so ungerecht behandelt hatte, dass sie bald wegfuhr, dass er womöglich ihr gutes Verhältnis zerstört hatte und sie ihn für nichts weiter als einen geilen, dummen Bock hielt. Als er das Nachthemd wieder hinlegte, sah er etwas, das wie ein Bilderrahmen aussah, unter dem Bett hervorlugen. Mit dem Fuß schob er es heraus, es kam ihm irgendwie bekannt vor. Richtig, es hatte in einem der Gästezimmer gehangen. Wenn er es in einer anderen Umgebung gesehen hätte, würde er es nicht wieder erkannt haben. Aber bevor die Handwerker gekommen waren, hatten Camilla und er die Bilder im ganzen Haus abgenommen und im Speicher untergebracht, da hatte er es bewusst zum ersten Mal in seinem Leben gesehen. Was tat es jetzt hier unter dem Bett?
Er sah es sich an: Ein sehr schönes, in Pastelltönen gehaltenes Bild, das im Vordergrund einen Fluss zeigte und eine Brücke, die darüber führte. Am anderen Ufer stand ein Haus im Tudor-Stil mit schwarzem Dach, drei Schornsteinen und ockerfarbenem Gemäuer. Etwas ähnelte es seinem Haus. Unten rechts konnte er „Edward Hopper“ in Großbuchstaben erkennen.
Ihm fiel sein Angebot ein, dass sie sich für ihr Zimmer aussuchen konnte, was sie wollte. Wahrscheinlich hatte sie dies hier hingelegt und dann vergessen, es an die Wand zu hängen. Das schöne Bild – wie es hier einstauben musste! Er nahm es hoch; Staub war nicht zu erkennen, im Gegenteil, es wirkte wie eben erst abgewischt.
Er beschloss, es wieder auf den Speicher zu bringen.
Gerade, als er von dem Gang dorthin wieder in seine Bibliothek zurückgekehrt war, erschien Eilidh in
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