Whisper (German Edition)
Pferd. Es trug einen Sattel, die Zügel hingen zu Boden, von denen einer kürzer war als der andere. Das Tier scherte leicht mit dem Huf über den Boden, schüttelte sich, sodass man das Klappern seiner Trense an den Zähnen hören konnte, und wandte ihr sofort den Blick zu, als es sie bemerkte. Ein leichtes Wiehern, mehr ein Brummen, kam Jasmin entgegen, während sie verdattert im Türrahmen stand.
Das Mädchen tat einige Schritte auf das Tier zu. Langsam drehte es sich um, schüttelte seinen Kopf, senkte ihn und prustete leicht über den Boden.
„Tom“, kam es über Jasmins Lippen, die barfuß, nur mit einem Hemdchen und der Decke bekleidet, die Stufen vor dem Haus hinunterwehte, und es sofort bereute, als sie auf einen spitzen Stein trat. Aufstöhnend knickte sie unter dem Schmerz ein, ließ sich aber trotzdem nicht davon aufhalten, auf das Pferd zuzugehen. Vorsichtig nahm sie den verkürzten Zügel in die Hand und bemerkte die Rissstelle. Prüfend ließ sie die Hand über den Hals des Tieres gleiten. Das Pferd war nass geschwitzt, aber nicht mehr warm. Ein sicheres Zeichen, dass er sich schon länger in der Nähe der Ranch befand.
„Jasmin?“
Das Mädchen wandte sich um und erblickte David im Schein des Lichtes.
„Tom ist hier“, antwortete sie, „mit abgerissenem Zügel.“
Der Indianer kam die Treppe herunter und war mit ein paar Schritten bei ihr, nahm den Zügel in die Hand und betrachtete die abgerissene Stelle ebenso interessiert wie sorgenvoll.
„Da ist etwas passiert!“, bemerkte das Mädchen leise und streifte den Blick des Indianers, der vermutlich genau dasselbe dachte. Auch er legte prüfend die Hände an Toms Hals und zerrieb den Schweiß zwischen seinen Fingern. Jasmin legte dem Tier die Hand auf die Nase. Sein Atmen war ruhig und gleichmäßig. Er pumpte nicht mehr. David strich ihm noch über die Brust und warf einen kurzen Blick auf das Sattelzeug. Dann wandte er Jasmin seinen Blick zu.
„Geh ins Haus“, ordnete er sanft an, nachdem er bemerkte, dass Jasmin sich nur eine Decke umgelegt hatte. „Ich bringe Tom in den Stall. Dann rufen wir auf Six Soul an und wecken Constable Ray Jaks. Tom ist kein Pferd, welches abhaut. Auch dann nicht, wenn jemand von seinem Rücken gefallen ist. Er würde immer auf Kinos Pfiff reagieren. Es hat einen besonderen Grund, warum Tom gekommen ist. Da stimmt etwas nicht. Los, geh schon. Geh rein, bevor dir kalt wird. Dann gehen wir der Sache auf den Grund.“
David nahm Tom am Zügel und brachte ihn in den Stall, während Jasmin wieder über die spitzen Steine humpelte und die Treppe erreichte. Auf der obersten Stufe drehte sie sich nochmals um. Irgendwo hörte sie ein leises Wimmern, als ob ein Baby leicht oder ganz weit weg weinen würde. Das Mädchen hörte genauer hin. Babys lagen nicht mitten in der Nacht irgendwo in der Wiese herum, und hier, mitten in der Wildnis, schon mal gar nicht, also musste das Wimmern durch etwas anderes erzeugt werden. Sie stieg nochmals die Stufen herab und versuchte das Geräusch zu lokalisieren. Es kam von der Scheunenmauer. Zumindest bildete sie sich das ein. Nochmals wagte sich Jasmin barfuß über die Steine, biss die Zähne zusammen, hinkte dort und da, doch sie hielt zielstrebig auf die Mauer zu. Das Wimmern verschwand kurzfristig, kam aber wieder. Verdammt, es war dunkel und sie hatte keine Lampe. Langsam tastete sie sich weiter, erreichte das Gestrüpp, welches wild an der Scheune entlang wuchs und aus dem sie das Wimmern heraushörte. Neugierig versuchte Jasmin irgendwas zu erkennen, wagte sich erst nicht wirklich die Büsche auseinander zu drücken, da sie mit einem verletzten Wildtier rechnete, dem sie nicht noch mehr Angst einjagen wollte. Doch das Wimmern ging in ein Winseln über, das sie jetzt direkt vor sich hörte und etwas Vertrautes hatte. Vorsichtig nahm sie einige Äste beiseite. Der Schein des Hoflichtes reichte nicht besonders weit, aber es langte, um die Augen des Tieres blitzen zu sehen. Da lag ein Tier an die Wand gequetscht und schien starke Schmerzen zu haben.
„David!“ Ihr Ruf hallte hell durch die Nacht und alarmierte den alten Mann, der umgehend aus dem Stall lief. „Ich bin hier!“, rief sie ihm zu, als sie seine Gestalt im Licht erkannte. „Hier liegt ein Tier und wimmert. Ich glaube, es ist verletzt.“
„Ich komme!“
Die Gestalt verschwand nochmals kurz im Stall, um Sekunden später wieder zu erscheinen. David kam zu ihr herüber und betätigte kurz vor ihr eine
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