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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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Bilder vorstellen, die durch Jasmins Kopf geistern mussten. Eine entsetzliche Vorstellung. „Ich habe Hilfe gesucht. Nein, nicht bei Behörden, sondern in dem Reitstall, indem mir meine Mutter immer gestattet hatte, Reitunterricht zu nehmen. Vielleicht ist auch sie dahin geflüchtet, ich weiß es nicht, aber ich habe die Nähe zu den Pferden sehr gemocht. Dort gab es auch ein sehr altes Pferd. Ein ausgedientes Schulpferd, eine Stute, die eigentlich nur noch herumstand. Niemand wollte sie wirklich. Ich habe mich viel um sie gekümmert, sie geputzt, bin mit ihr spazieren und grasen gegangen, habe ihre angelaufenen Beine im Bach gekühlt, und bin mit ihr im Sommer baden gegangen. Irgendwann fragte der Besitzer des Reitstalles meine Mutter, ob wir das Pferd haben wollten. Meine Mutter wollte erst verneinen, da die Einstellgebühr sehr hoch war. Aber der Besitzer sagte, wenn ich hin und wieder am Wochenende im Stall helfen würde, dann würde er nichts verlangen. Wir nahmen die Stute. Ich war überglücklich und meine Mum so sehr dankbar. Heute weiß ich, dass sie für mich einen Freund gesucht hat, denn sie wusste, dass sie es nicht mehr lange schaffen würde. So bekam ich Whisper. Whisper wurde nicht nur meine Freundin, sie wurde meine Familie. Mein Dad trank und trank, kam täglich betrunken nach Hause, und wenn er mich nicht vorfand, zerschlug er immer öfter die Möbel. Ich wohnte mehr im Stall als zuhause. In der Schule verschwieg ich alles. Whispers Box war mein Zimmer. Dort lernte ich, und ich lernte viel, damit nie jemand auf die Idee kommen könnte, meinen Vater zu benachrichtigen. Ich hatte immer ein Bilderbuchzeugnis und die Lehrer waren glücklich mit mir. Whisper half mir beim Lernen. Ich schlich mich oft abends in den Stall, schlief bei ihr, und sie weckte mich morgens, damit ich rechtzeitig zur Schule kam. Wochenlang ernährte ich mich von hartem Brot, dass die Besitzer den Pferden hinterließen, von Karotten, Äpfeln, Zuckerstücken und bekam hin und wieder eine warme Mahlzeit vom Stallbesitzer, wenn ich am Wochenende half. Niemand bekam etwas davon mit, dass ich fast ausschließlich bei Whisper wohnte, und meine Stute blühte auf. Sie wurde gesund, die Beine heilten und ich begann sie wieder zu reiten.“ Für einen Augenblick verstummte Jasmin. Die Erinnerung ließ ihr Gesicht erleuchten und ein zartes Lächeln glitt über ihr Antlitz. Es war unschwer zu erkennen, dass diese Zeit, so schwierig sie für das Mädchen gewesen sein musste, auch wunderschöne Seiten gehabt hatte, an die sie sich sehr gerne erinnerte. Momente, in denen sie so etwas wie Glück empfunden hatte.
    „Wir beide waren ein Team“, erzählte sie weiter. „Unschlagbar und unzertrennlich. Für Whisper tat ich schlicht alles. Man schenkte mir einen alten Westernsattel, gab mir ein Zaumzeug. Ich hatte kein Geld, um Whisper diese Dinge zu kaufen, aber man half mir. Ich bekam altes Putzzeug, eine alte Kiste. Ich nahm alles dankbar an. Der Schmied wurde mir gesponsert, wenn ich die Sättel und Zaumzeuge der Leute putzte. Wenn sie mich fragten, was ich mir wünschte, sagte ich, eine Impfung für Whisper, oder neue Eisen, eine Longe, eine Bürste, eine Decke für meine Whisper. Ich nahm alles. Jeder sagte, ich wäre ein Segen für das alte Pferd. Niemand wusste, dass sie meine Familie war. Whisper gab mir die Kraft durchzuhalten. Ich ging nur nach Hause zurück, um Wäsche zu waschen. Duschen konnte ich im Stall. Und bei einem dieser kurzen Gänge nach Hause erwischte mich Dad!“ Als Jasmin diesmal pausierte, war es noch ruhiger in der Hütte geworden. Kaum einer wagte zu atmen. Die Kids hingen an ihren Lippen, Stefan schluckte mehrmals und Kino ahnte, was kommen würde, wollte es eigentlich nicht wirklich hören, doch genau wie Jasmin musste er jetzt da durch. Das, was sie so sorgsam umschrieben hatte, würde ihnen nun mit voller Härte präsentiert werden. Kino wappnete sich, Dinge zu hören, die in seine Seele stechen könnten, wobei er noch nicht ahnte, dass es ihm fast das Herz zerreißen würde. „Dad war außer sich vor Zorn, als er mich sah.“ Jasmins Blick erhärtete sich wieder, das Strahlen verschwand und sie starrte wieder auf diesen unbekannten Punkt. „Ich versuchte mich in meinem Zimmer einzusperren, doch er brach die Tür auf. Ich hatte schrecklich Angst, wusste nicht, was ich tun sollte. Dad zerrte mich an den Haaren aus meinem Zimmer und warf mich in die Küche, zeigte mir den ganzen Dreck und beschimpfte mich. Wenn

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