Whisper (German Edition)
Blick durch die Büsche. Er konnte Pferde erkennen, und Menschen, die sich um das Fahrzeug herumbewegten. Noch einmal versuchte es Patrick mit Laufen. Die Muskeln seiner Oberschenkel krachten, doch darauf konnte und wollte er keine Rücksicht nehmen. Stolpernd und keuchend kam er in die Nähe des Parkplatzes und beobachtete, dass einer der Männer Jasmin an den Transporter gestellt hatte, ihr gegenüberstand, beide Hände links und rechts neben ihrem Kopf abgestützt hatte und sie derb anbrüllte. Jasmin hatte ihren Kopf gesenkt, ließ die Arme hängen und bewegte sich kaum. Es war jenes Bild, das er das erste Mal am Flughafen in München von ihr gesehen hatte. Eine trostlose Gestalt, in sich gekehrt, verschlossen und zurückgezogen. Dass sie das im Grunde nicht war, wusste er, aber es war die perfekte Methode, sich vor ihrem Umfeld zu schützen.
Der Mann, gekleidet in Karohemd, augenscheinlich dicker, ärmelloser Lederjacke, Jeans, Stiefeln mit Sporen und breitkrempigen, verbeulten Cowboyhut, schien auf eine Antwort zu warten, denn Patrick sah, wie er den Kopf senkte, ihn aber kurz darauf wieder hob. Meter um Meter schob der Junge sich vor, darauf bedacht, keine unnötigen Geräusche zu verursachen, als er endlich die Worte verstehen konnte, die man Jasmin entgegenschleuderte.
„Was, zum Kuckuck, muss man dir antun, dass du den Mund aufmachst? Wo sind deine Kameraden. Lungern die auch hier irgendwo in der Gegend rum?“
Als Antwort erhielt er lediglich ein zartes Kopfschütteln, worauf der Mann das Kinn des Mädchens umfasste und sich ihren Blick holte.
„Entweder du bist mutig, oder lebensmüde junge Dame. Hast wohl deine Situation noch immer nicht erkannt, wie?“
Sein Partner war gerade dabei, eines der beiden Pferde in den Transporter zu packen. Polternd stieg das Pferd in den Hänger.
„Und wie habt ihr uns gefunden? Ich dachte, alle von euch eingesperrt zu haben, und jetzt taucht so ein Gesicht wie du auf!“
Er sah kurz auf, als sein Begleiter wieder aus dem Hänger trat, von der Rampe sprang und auf das nächste Pferd zuging, welches darauf wartete, abgesattelt zu werden.
„Lass sie in Ruhe Bryan“, rief ihm dieser entgegen. „Du siehst doch, dass sie Angst hat. Was kann uns die Kleine schon tun? Sie wird uns kaum gefährlich werden.“
Der Angesprochene stieß sich vom Fahrzeug ab und trat einige Schritte zurück.
„Aber sie hat uns gesehen. Sie kennt unser Auto, vielleicht sogar unser verdammtes Kennzeichen.“
Der andere hatte den Sattel des Pferdes beiseitegelegt, band es los und führte es ebenfalls zur Laderampe.
„Sie werden uns nicht finden. Mach nicht so ein Gewitter. Gesehen haben uns die anderen auch. Wir lassen die Kennzeichen verschwinden und gehen für eine ganze Weile woanders hin. Irgendwann ist Gras über die Sache gewachsen und keiner sucht uns mehr. Wilderei mag ein unhübscher Sport sein, aber im Grunde hat die RCMP Besseres zu tun, als ein paar Wilderer wie uns zu jagen. Wir sind nicht die Ersten und werden auch nicht die Letzten sein. Mach dir nicht ins Hemd.“
Vertrauensvoll folgte ihm das Pferd in den Transporter. Es rumpelte heftig, während sich der Hänger sanft bewegte.
Der Mann, der Jasmin gegenüberstand, stemmte die Hände in die Hüften. Eine Zeitlang musterte er das Mädchen.
„Du siehst aus, als wärst du in einen Ventilator geraten“, bemerkte er trocken, trat zur Autotür und öffnete sie. „Los, steig ein.“
Der andere kam aus dem Transporter wieder heraus und kümmerte sich um das Packpferd.
„Was hast du jetzt wieder vor?“, fragte er, während er den Strick löste. Das Gepäck des Pferdes hatte man längst auf die Ladefläche des Pick Ups geworfen.
„Wir bringen sie nochmal in den Wald!“ Der Mann schnappte Jasmin am Arm und nötigte sie dazu, in das Auto zu klettern. „Wir setzen sie ein weiteres Mal viel weiter nördlich aus, wo sie vielleicht der Appetithappen eines Grizzlys wird. Ich habe keine Lust, wegen so einer Hexe im Bau zu landen. Dort draußen wird man sie sicher nicht vermuten, was uns wieder Zeit gibt.“
Sein Partner hielt kurzfristig inne.
„Das nennt man, grob gesagt, auch Mord. Warum bringst du sie nicht gleich um und wirfst sie den Wölfen zum Fraß vor?“ Die Meldung hatte einen zweideutigen Unterton. Der Spott war nicht zu überhören.
„Mach einen besseren Vorschlag!“, forderte ihn sein Freund giftig auf.
Doch der Mann nahm nur das Pferd und brachte es als Letztes in den Transporter. Jasmin kletterte in
Weitere Kostenlose Bücher