Whisper (German Edition)
plötzlich eine grau – braune Gestalt aus den Büschen schob und keine drei Meter entfernt von ihr den Weg blockierte. Dieses mächtige Etwas hatte ihr den Rücken zugewandt, stellte sich auf die Hinterbeine und stieß ein markerschütterndes Brüllen aus. Das, was da vor ihr stand, maß gut und gerne zwei Meter, wenn nicht sogar noch etwas mehr. Jasmin konnte einen Aufschrei hören, während der Bär sich wieder niederließ und sich schneller als man es hätte vermuten können, auf etwas zu bewegte. Jasmin hörte, wie jemand um Hilfe schrie, und wollte gar nicht wissen, was passierte. Ein Schuss peitschte. Irgendwie kam sie wieder in die Höhe. Der Schmerz ließ sich wieder einigermaßen ertragen. Mit der Panik im Nacken stolperte sie weiter, stöhnte auf, als sie abermals fiel, und diesmal ihr Gewicht mit den Knien abfing. Irgendwas stach ihr ins Bein. Mühsam kam Jasmin wieder hoch und verzichtete darauf, wissen zu wollen, was der Bär tat, hörte sein Brüllen, die Schreie der Männer und zwei weitere Schüsse. So schnell es irgend ging, jagte sie in den Wald hinein, weit weg vom Parkplatz, von dem Bären und jenen Menschen, die ihr Schlechtes wollten.
Jasmin hätte fast laut aufgeschrien, als sie plötzlich mit etwas oder jemanden zusammenprallte, der sie am Oberarm packte. Sie wusste, dass sie nicht in der Lage war, sich zu wehren, wollte sich verzweifelt losreißen, als er sie laut und deutlich anschrie und leicht schüttelte.
„Jasmin, hör auf zu kreischen. Ich bin´s, hallo, ich bin´s dein Computerjunkie, der gerade gelernt hat, wie sich visuelle Figuren fühlen müssen, wenn man sie über den Bildschirm jagt.“
Patrick ließ sie los, während sie endlich einen prüfenden Blick in sein Gesicht warf, es erkannte und zusammenknickte. Patrick griff im letzten Moment zu, zog sie zu sich, wobei sie sich an ihn klammerte und haltlos weinte. Patrick konnte den Bären nicht nur hören, sondern auch sehen. Irgendwas passierte dort und er wollte es ebenso wenig wissen, wie das Mädchen, welches er gerade in seinen Armen hielt. Er spürte ihre Angst, ihre Hilflosigkeit und wäre im Moment fähig gewesen, sich gegen Gott und die Welt zu stellen, um ihr zu helfen. Neue Gefühle, die er noch nie empfunden hatte. Wahre Realität, die sich anders anfühlte, als die Spiele im Internet. Einiges würde seinen Weg in den Mülleimer finden, wenn er wieder zurück in München war. Die Zeit, stundenlang vor dem PC zu sitzen und die Welt an sich vorbeiziehen zu lassen, war endgültig vorbei.
Erst nach einer Weile löste sich Jasmin von ihm und wischte sich banal mit dem Ärmel über das Gesicht.
„Tut mir leid“, erklärte sie entschuldigend doch Patrick winkte ab.
„Braucht es nicht. Komm, wir verschwinden, bevor der Bär uns findet und zum Nachtisch verspeist.“
Er blickte nochmal in jene Richtung, in der vorher noch der Kampf Mensch gegen Raubtier stattgefunden hatte. Er war etwas verblüfft, dass er so gar nichts mehr erkennen konnte. Der Bär war weg und auch von den Männern war nichts mehr zu sehen. Ohne zu hinterfragen warum, suchte er zwischen den Bäumen nach den Raben. Aber auch die konnte er nirgends entdecken.
Motorengeräusch ließ ihn hochschrecken. Durch die Bäume hindurch konnte er sehen, wie der Pick Up den Transporter nach hinten schob und zu wenden versuchte. Der Motor heulte unsicher auf, als ob jemand die Koordination zwischen Bremse und Gas nicht mehr schaffte. Der Transporter krachte hinten gegen einen Baum, rumpelte zwischen die Büsche. Die Pferde hämmerten gegen die Wände des Anhängers. Wieder stieg jemand viel zu heftig ins Gas. Räder drehten durch, bohrten sich in den Schotter, sodass Steine in den Wald flogen. Aber anstatt nachzulassen, trat der Fahrer immer mehr ins Gas. Aus dem Kieselregen wurde eine richtige Steinfontäne. Man bemerkte, dass sich der Hänger leicht verkantet hatte und der Pick Up auf dem losen Gestein kaum Halt fand. Noch einmal stieß das Gespann zurück. Der Hänger schrabbte an einem Stamm vorbei und rumste gegen einen anderen. Ein Ast quietschte über die Außenverkleidung.
„Was um alles in der Welt haben die vor“, flüsterte Patrick leise, der das Geschehen von Weitem beobachtete. Sie hatten eine Bogen um den Schauplatz beschrieben und näherte sich dem Fahrzeug aus einem anderen Winkel.
„Sie versuchen hektisch zu wenden!“, glaubte Jasmin zu wissen. Noch einmal heulte der Motor heftig auf, bis es wohl jemand schaffte, den Allradantrieb
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