Whisper (German Edition)
Gesicht und Hände zerschnitten und sie schließlich durch eine Glastür geschossen, weil er sich eingebildet hat, sie hätte einen Freund, da sie sich ständig vor ihm versteckt hat, um nicht verprügelt zu werden. Das ist passiert.“
Die Frau starrte ihn erschrocken und ungläubig an, hätte vielleicht reagiert, wenn nicht im selben Moment die Haustür aufgeflogen wäre. Markus stürzte atemlos herein.
„Jasmin ist weg!“ Ein Ausruf, der Kino wie eine Rakete in die Höhe schießen ließ. Sturmmäßig wirbelte er herum.
„Was?“
„Wir haben sie noch am Waldrand gesehen. Mit Tom. Aber sie hat auf unser Rufen nicht reagiert und ist im Wald verschwunden.“
Kino stand im Begriff aus dem Haus zu stürzen, wenn sein Vater ihn nicht am Arm festgehalten hätte.
„Kino!“
Der sah ihn aus verzweifelten Augen an.
„Ich weiß, wohin sie will“, antwortete er schnell. „Ich werde ihr nachreiten.“
Damit stürmte er mit Markus aus dem Haus. Jaro blieb zurück und hielt abermals Manuel Devot davon ab, ebenfalls das Gebäude zu verlassen.
„Sie bleiben hier!“, erklärte er bestimmt. „Sie haben schon genug Unheil angerichtet. Nach mehr ist kein Bedarf.“ Die Gestalt Jaros wirkte wie ein Schrank. Es war im Moment nicht möglich, ihn einfach zur Seite zu schieben. Das bemerkte wohl auch der Mann, weswegen er sich vor dem Indianer aufrichtete und ihn aus verengten Augen anstarrte.
„Dieser Junge ist selbst noch ein Kind. Was ist, wenn Jasmin sich verirrt oder von einem wilden Tier angefallen wird? Soll dieser Jüngling ihr vielleicht zur Seite stehen?“
Das entlockte Jaro nun doch ein Lächeln.
„Mein Sohn ist kein Kind mehr, sondern ein junger Mann, und er ist hier groß geworden. Er kennt die Wildnis wie Sie ihr Wohnzimmer. Wenn er sagt, dass er weiß, wo er Jasmin finden kann, dann weiß er es, und wir sollten ihn tun lassen, was er zu tun gedenkt.“
„Ich finde ihre Verantwortungslosigkeit einer Sechzehnjährigen gegenüber bemerkenswert. Sie verletzen gerade ihre Aufsichtspflicht. Sollte ihr etwas passieren, werde ich Sie höchstpersönlich dafür zu Rechenschaft ziehen.“
Jaro beeindruckte das wenig.
„Tun Sie das, wenn Sie meinen. Jasmin findet sich da draußen sehr gut zurecht. Mein Sohn kennt die Gefahren der Wildnis, wie sie ihre Straßenkreuzungen in München. Wenn jetzt jemand an Jasmin herankommt und sie dazu bewegen kann, zurückzukommen, dann ist das er. Jasmin ist bei Kino in sicheren Händen.“
Der Mann blickte ihn entsetzt an. Es war, als würde er nicht ganz glauben können, was gerade passierte.
„Dieser Junge“, pfauchte er, „hat er sie angerührt, läuft da etwas? Wenn er meine Tochter auch nur anfasst, dann …“
„Jetzt ist aber Schluss!“
Kinskys Stimme donnerte wie eine Sprengung durch den Raum, sodass sich selbst jeder Floh irgendwo im Staub verkroch.
„Sie, Mr.Devot, sollten erst mal schleunigst die Luft anhalten und Kino dankbar sein, das er Jasmin der treueste Freund geworden ist, seit Sie ihr Whisper weggenommen haben. Denn dieses Pferd war alles was sie hatte, nicht nur ihr Besitz, es war ihre Familie, und die haben Sie ausgelöscht. Was um alles in der Welt glauben Sie, was in dem Mädchen vorgehen muss, wenn ihr eigener Vater ihr Gesicht und Hände zerschneidet und sie mit Todesangst zu kämpfen hat. Und zur Krönung wird ihr auch noch das weggenommen, zudem sie Vertrauen hat. Sie klatschen, auch wenn in gut gemeinter Absicht, in ihr Leben und zwingen ihr Dinge auf, die sie nicht tun will. Hier hat sie Menschen gefunden, denen sie vertraut, sie hat insbesondere einen Menschen, den sie liebt, und jetzt stehen Sie da, und nehmen ihr abermals das weg, was ihr etwas bedeutet. Stellen Sie nun gefälligst ihr eigenes Ego hinten an und hören Sie auf das, was Jasmin in ihrem Leben möchte. Sie ist es, die glücklich werden soll. Das kann sie aber nicht, wenn man ihr ständig den Weg verbaut.“
Wutschnaubend wandte sich der Mann Kinsky zu.
„Das heißt also, dass sie nicht nur in Lebensgefahr der Wilderer wegen geraten ist, sondern auch noch einen Liebhaber hat? Ich schwöre bei Gott, ich mach Ihnen das Leben zur Hölle, wenn sie schwanger ist …“
Jaros grunzendes Auflachen ließ den Mann verstummen. Hektisch wandte er sich dem Indianer wieder zu. Dieser hielt sich die Nase zu, um nicht laut loszugackern, was eben dieses Grunzen erzeugte, was den Mann schier zur Raserei trieb.
„Was …“, brüllte er los, wurde aber von Jaro jäh unterbrochen,
Weitere Kostenlose Bücher