Whisper (German Edition)
vielem gerechnet, nicht damit.
„Hallo Johanna“, sie nickte der Frau zu. „Manuel!“ Ein freundliches aber aufgezwungenes Nicken entfiel auch auf den Mann.
„Sie spricht wirklich wieder“, hörte man die halb flüsternde Stimme der Frau, die begann, über das gesamte Gesicht zu lächeln. Erregt hielt sie sich am Arm ihres Mannes fest.
„Es ist schön zu bemerken, dass du wieder sprichst“, bemerkte dieser künstlich freundlich, „dann werden dir die Therapeuten endlich helfen können.“
Kinsky musste schlucken. Hatte Susanna so undeutlich gesprochen oder war der Mann einfach so sehr von sich selbst überzeugt?
„Die Therapeuten?“, fragte Jasmin vorsichtig, wobei ein Anflug von Angst in ihren Augen zu sehen war. Kino bemerkte, wie sie einen weiteren Schritt nach hinten trat.
„Ja“, säuselte ihr Pflegevater, „wir dachten, nachdem du hier so wirre Abenteuer durchstehst, wirst du dich sicher nach deiner ruhigen Heimat sehnen. Wir wollten dich nur holen.“
Kinsky griff sich mit der Hand vor das Gesicht, Susanna ließ ihr Geschirrtuch fallen.
„Holen?“, hauchte Jasmin und diesmal riss sie ihre Augen schon weiter auf. „Holen?“ Sie hob ihre Stimme. Ihre Augen füllten sich mit Wasser, was der Mann als Anlass sah, nach ihr zu greifen. Und diese Berührung löste eine wahre Schockwelle in Jasmins Körper aus. Mit ungeahnter Heftigkeit schlug sie die Hand zur Seite und verkniff sich wimmernd den eigenen Schmerz, als sie ihre Hand zurückzog.
„Niemand wird mich holen“, schrie sie aus sich heraus, wobei Tränen des Zorns aus ihren Augen traten. „Niemand wird mich irgendwohin bringen.“
Jasmin war mit einer Geschwindigkeit bei der Haustür, die ihr keiner zugetraut hätte. Ihr Pflegevater wollte noch ein weiteres Mal nach ihr greifen, hätte wohl ihre Hand erwischt, wenn nicht plötzlich Jaro zwischen ihm und Jasmin aufgetaucht wäre, damit dem Mädchen die Flucht aus dem Haus ermöglichte und ein weiteres Zugreifen ihres Pflegevaters verhinderte. Entschieden verschränkte er die Arme vor der Brust.
„Ich glaube nicht, dass es jetzt gut ist, ihr zu folgen. Vielleicht sollten Sie sich wieder setzen, sodass zuerst einige wichtige Dinge geklärt werden können.“
Der Mann wollte sich nicht wirklich aufhalten lassen. Obwohl seine Frau an seinem Arm hing, war er geneigt, Jaro einfach zur Seite zu schieben, sah sich aber dann auch noch Kino gegenüber.
„Sie werden jetzt der Letzte sein, der mit ihr spricht. Wenn Sie vorhaben, ihr wehzutun, dann werden Sie mich erschlagen müssen, um hier rauszukommen.“
Jaro und Kino wirkten wie eine undurchdringliche Mauer. Die Frau in dem lindgrünen Kostüm erkannte das wohl, versuchte ihren Mann wegzuziehen, der sich mit Jaro einen unterschwelligen Blickkampf lieferte. Kinsky war es, der dem Ganzen sofort ein Ende setzte.
„Mr. Devot, ich glaube, Sie sollten und doch ein wenig zuhören. Denn ich denke, so sehr Sie Jasmin helfen wollen, das ging gerade tüchtig daneben.“
„Aber …“
Kinsky kam auf ihn zu und lächelte ihn freundlich an.
„Kein aber. Setzen Sie sich, trinken Sie noch einen Kaffee. Und jetzt hören Sie uns zu.“
Der Mann blickte von einem zum anderen und bekam schließlich mit, dass seine Frau nicht mehr an seinem Arm zupfte, sondern schon daran riss.
„Komm jetzt!“, meinte sie schon zum wiederholten Mal. „Ich glaube, die Leute haben recht. Es hat sich einiges verändert.“
Etwas betreten ließ sich der Mann mitziehen und setzte sich wieder auf seinen Stuhl, während sich Kinsky wieder mit der Tischkante begnügte.
Jaro und Kino kamen ebenfalls näher, blieben aber in gebührendem Abstand stehen. Jaro wechselte einen Blick mit Kinsky, dann mit seinem Sohn und deutete ihm, sich zu beruhigen. Nur zu genau wusste er, was jetzt in seinem Kopf vorging. Man wollte ihm sein Mädchen nehmen.
„Mr. Devot!“ Kinsky pausierte kurz, um sich etwas zurechtzusetzen, bevor er fortfuhr. „Jasmin braucht keinen Therapeuten und keinen Arzt. Sie ist okay, ein freundliches, liebes Mädchen mit entsetzlicher Vergangenheit. Das, was sie braucht, sind Menschen, die ihr zuhören, die sie so sehen, wie sie ist, und die ihre Wünsche respektieren, die sie hat. Glauben Sie mir, Jasmin weiß über ihre Vergangenheit besser Bescheid, als Sie auch nur ahnen. Wie wollen Ärzte einen Gedanken messen? Das ist die einzige Welt, in der man niemanden vorschreiben kann, was er zu tun hat, und Jasmin hat sich in die Welt der Gedanken verkrochen,
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