Whisper (German Edition)
Wissen gefiel ihm nicht. Trotzdem konnte er dem Ehepaar schlecht ihr Kind, auch wenn es nur ein Pflegekind war, vorenthalten.
„Jaro. Würdest du das bitte übernehmen?“
Kinsky warf seinem Freund einen kurzen Blick zu. Dessen Miene war unbeweglich und steif. Er hatte kein Geschirr, welches er irgendwo gegen die Wand werfen konnte, doch seine Körpersprache sagte deutlich, dass ihm die Situation ebenso wenig gefiel wie Kinsky. Der Indianer nickte ihm nur kurz zu und verschwand aus dem Haus. Kinsky überlegte. War es ratsam den Mann zu bitten, sich dem Mädchen gegenüber dezenter zu verhalten? Hatte es überhaupt Sinn, oder sollte er einfach warten, was weiter passieren würde? Diese Situation in richtige Bahnen zu lenken war verdammt schwer.
„Vielleicht sollten Sie berücksichtigen, dass sich Jasmin hier sehr wohl fühlt, Freunde hat, die sie achtet, und auch ihre Arbeit auf der Ranch als wertvoll empfindet. Ihr zu erklären, sie bräuchte einen weiteren Therapeuten, ist bestimmt der falsch Weg.“
Ihre Stimme war geladen aber zurückhaltend und dafür liebte Kinsky seine Frau. Das, was er sich gerade dachte, versuchte sie in Worte zu packen. Ob sie richtig ankamen?
„Oh, danke für die Information!“
Susanna wäre ihm am liebten an die Kehle gesprungen.
„Schön zu wissen, dass sie Freunde gefunden hat. Dann wird es ihr auch in München leichter fallen, Kontakte zu knüpfen. Und eine Beschäftigung können wir ihr auch geben, wenn Sie das als so wertvoll empfindet.“
„Was meine Frau sagen will“, mischte sich Kinsky wieder ein, „ist, dass wir hier ein Team geworden sind, und dass Jasmin die Arbeit auf der Ranch mag, weil sie ihr liegt. Ich glaube nicht, dass sie sich so einfach mit irgendjemandem anfreunden wird. Sie hat eine eigene Wellenlänge, und sie liebt die Wildnis. Respektieren Sie das, wenn sie mit ihr sprechen, einfach um Ihrer selbst willen.“
Das „Sonst könnte es sein, dass Kino oder jemand anders Sie kreuzigt“ sparte er sich.
„Machen Sie sich um mich keine Sorgen, Mr.Kinsky. Ich habe schon eine Weile mit Jasmin zu tun und kenne sie ganz gut.“
Das „Das wage ich stark zu bezweifeln“ verkniff sich Kinsky ebenfalls, dafür räusperte er sich nur kurz.
„Und sie spricht wirklich wieder?“
Ah, die Frau konnte also doch sprechen? Es war also keine Familienkrankheit, ausgelöst durch einen allzu sicheren und besser wissenden Ehemann und Familienvater. Die Dame besaß eine feine, und leise Stimme, wirkte ruhiger und schien, was Jasmin betraf, doch nicht ganz so sicher zu sein.
„Ja“, bestätigte Kinsky schnell, da er sah, wie Devot Luft holte. „Im Grunde schon. Wäre gut, wenn man das so erhalten könnte.“
Bemerkte man die Giftigkeit in seiner Stimme? Er sah ein Blitzen in den Augen der Frau, doch sie äußerte sich nicht mehr. Zudem hörte er Schritte auf der Veranda und wusste, dass die Haustür jeden Moment aufgehen würde. Kaum hatte er den Gedanken fertig gedacht, riss Jaro diese auf und ließ Jasmin und Kino eintreten. Dabei bemerkte er durch das Fenster, wie der Rest der Truppe über den Hof lief und hinterm Haus verschwand.
Jasmin trat als Erste ein und stockte, als sie den „Besuch“, den man ihr angekündigt hatte, erkannte. Sie wurde schlagartig weiß wie die Wand und jede Art von Fröhlichkeit verschwand aus ihrem Gesicht. Kino war genau hinter ihr und hatte die Situation sofort erkannt, obwohl er die Personen nicht kannte. Er schob Jasmin seine Hand in den Rücken als Zeichen, dass er da war, was sie dazu verleitete, zwei weitere Schritte in den Raum zu treten, um dann wie angewurzelt stehenzubleiben.
„Jasmin, Kind!“ Der Mann war aufgesprungen und trat auf sie zu. Auch seine Frau hatte sich erhoben, trat neben ihren Mann. Es schien, als würde sie nicht genau wissen, wie sie sich zu verhalten hätte, denn ihr Blick wanderte zwischen Jasmin und ihrem Mann mehrmals hin und her.
Dieser kam auf das Mädchen zu und streckte ihr vorsichtig die Hand entgegen.
„Hi, Jasmin. Freut mich dich wiederzusehen.“
Es war die trockenste Begegnung die Kinsky je gesehen hatte. Jasmins Körper sprach Bände. Sie verweigerte die Hand, trat einen Schritt zurück. Immer noch war ihr Gesicht erstarrt.
„Geht es dir gut?“
So sprach man mit einem Vollidioten, nicht mit einer normal veranlagten Sechzehnjährigen. Kinsky schüttelte sanft den Kopf und nahm sich einen neuen Zahnstocher. Er sah, wie Jasmin durchatmete und ihren Schreck überwand. Sie hatte mit
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