Whisper (German Edition)
der kopfschüttelnd den Weg zur Tür freigab.
„Sowas habe ich noch nicht gehört“, erklärte er sein Lachen unterdrückend. „Langsam glaube ich, dass Sie einen Therapeuten nötig haben. Ja, gehen Sie, Mr. Devot. Im Stall stehen noch einige Pferde, suchen Sie sich eines aus und reiten Sie hinaus in die Wildnis und suchen Sie Ihre Tochter. Ein Gewehr kann ich Ihnen mitgeben, damit Sie sich gegen Wölfe, Bären, Berglöwen und anderes Getier schützen können. Ach ja, bevor ich es vergesse. Kreide liegt auch noch irgendwo rum, die können Sie benutzen, damit Sie den Weg nach Hause wieder finden. Seien Sie sich nur im Klaren, wir werden Sie nicht suchen, sollten Sie dann als vermisst gelten.“
„Sie finden das wohl sehr amüsant!“ Der Mann richtete sich wieder auf und stemmte die Hände in die Hüften.
„Nein!“ Susanna, die das Geschehen von der Küche aus mitverfolgt hatte, näherte sich und schob sich zwischen den Mann und Jaro. „Mag sein, dass Sie sich Sorgen machen, Mr. Devot. Das steht Ihnen auch zu. Nur, wir sind hier nicht in München, sondern in Kanada. Hier draußen gelten ein paar andere Gesetze. Da fährt man nicht einfach los, um jemanden zu suchen, da man mit dem Auto dort nicht hinkommt, wohin Jasmin vermutlich unterwegs ist. Sie ist enttäuscht, falls Sie das bemerkt haben sollten, sie weint. Ja, Kino ist ihr Freund. Der Einzige, der Zugang zu ihr hat, und den sie jetzt sehen will. Vielleicht ist es in München Sitte, dass die Burschen die Mädchen sofort flachlegen, kaum dass sie einander sympathisch finden. Hier läuft das etwas anders ab, Mr. Devot. Kino und Jasmin haben sich gern, aber bis auf ein Küsschen ist bestimmt nichts gewesen. Und sie sollten dankbar sein, dass es so ist. Geben Sie ihm eine Chance, Jasmin zu finden. Wenn ich Sie wäre, würde ich mir stattdessen überlegen, warum das Mädchen Hals über Kopf vor Ihnen und Ihrer Idee davongelaufen ist, und dem Gedanken, zurückgeholt zu werden, nichts abgewinnen kann. Sie, guter Mann, mögen ein lieber Kerl sein, und alles was Sie und Ihre Frau für Jasmin getan haben, mag aufopfernd und bewundernswert sein. Aber begehen Sie nicht den Fehler, allein zu wissen, was gut für das Mädchen ist. Jasmin ist sechszehn und kann sehr gut für sich selbst sprechen, und wenn ich ihre Körpersprache jetzt mal ganz banal interpretieren darf, so war sie nicht gerade erfreut, Sie beide hier gesehen zu haben und die Tatsache, geholt zu werden, hat auch keine Welle der Begeisterung ausgelöst. Setzen Sie sich wieder hin, Mr. Devot. Heute Abend gibt es Steak nach echt kanadischer Art. Sie und Ihre Frau sind herzlich eingeladen. Bleiben Sie über Nacht. Ich glaube, dass wir in Ruhe über die Sache sprechen sollten, ohne uns zu bekriegen. Wenn Sie mit Jasmin wirklich reden wollen, dann hören Sie auf, an irgendwelche Krankheiten zu glauben, die sie nicht hat.“
Noch während sie sprach, war festzustellen, dass der Mann von seinem Zornpegel herunterkam. Susannas Geschick, Schimpferei und Lob miteinander zu verknüpfen, wirkten wahre Wunder.
„Jasmin ist nicht gesund!“, beharrte der Mann dennoch und erntete ein zuckersüßes Lächeln.
„Aber sie ist auch nicht krank!“
„Was macht sie so sicher?“
„Ach“, Susanna zuckte so beifällig mit den Schultern, „ich habe auch irgendwann meinen Doktor in Psychologie abgelegt, und vor einigen Jahren das Diplom als Mentor für verhaltensauffällige Kinder abgelegt. Ich denke, das reicht, um mich damit auszukennen.“
Die Haltung des Mannes veränderte sich. Augenblicklich verspürte Susanna Respekt aufkeimen und bemerkte, wie sich der Blick des Mannes veränderte.
„Es würde Six Soul wohl sonst nicht geben, Mr. Devot. Also nehmen Sie doch bitte wieder Platz.“
Niemand bemerkte Kinskys verwundertes Gesicht, der sich sofort zusammenriss, als Susanna einmal mehr die stille Post aktivierte. Halt darüber jetzt bloß den Mund. Kinsky verstand sie und bemerkte im selben Moment, wie Jaro hinter dem Rücken den Daumen hob. Wenn Frauen in den Krieg zogen …
Das Ehepaar Devot setzte sich wieder.
„Einen Whisky zur Beruhigung“, bot Kinsky an und erntete dafür ein Lächeln seiner Frau. Wenn es nach ihm ginge, hätte er den Kerl lieber in den Teich geworfen, aber wenn er ihn mit Whisky ertränken konnte, war es ihm auch recht.
„Bitte sehr!“, kam die etwas stockende Antwort.
„Und Sie glauben wirklich, dass es gut ist, einfach abzuwarten?“
Susanna hatte das Gefühl, dass die Dame in
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