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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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Jahreszeit waren Wildtiere besonders aktiv, suchten Futter oder ihren Schlafplatz für den Winter. Im Frühjahr zogen sich die Tiere dann wieder weiter in die Wälder zurück, um ungestört ihre Jungen großziehen zu können. Vor Ausbruch des Winters suchten sie die Nähe zum Menschen in der Hoffnung, etwas Fressbares zu finden. Jederzeit konnte ein Wapiti oder auch etwas anderes über die Straße laufen.
    Aber nichts. Alles blieb ruhig. Es wurde langsam heller, im Auto war es mollig warm und nirgends war auch nur der Zipfel eines Tieres zu bemerken. Kino fragte sich, warum er gerade heute auf Wildtiere so gesondert aufpasste. Er tat es doch sonst auch nicht. Vermutlich nur eine geistige Handlung um sich abzulenken. Er war unruhig, nervös, mehr als gut war.
    Neben ihm saß Jasmin und starrte irgendwie abwesend durch die Scheibe. Egal was in ihrem Kopf vorging, nichts an ihren Zügen zeigte ihre Regungen. Warum auch immer sie so früh auf Six Soul erscheinen sollten, Himmel, er klammerte sich an das Versprechen, welches Johanna Devot Jasmin gestern gegeben hatte.
     
    Es war bereits taghell, als der Pick Up auf den Vorhof der Six Soul Ranch rollte. Im Haupthaus brannte Licht und Kino sah, wie Patrick kurz winkte und wieder im Stall verschwand. Augenblicke später ging die Haustür auf und Jaro trat in Begleitung seines Vaters auf die Veranda ins Freie. Als Jaro das Auto erkannte, ließ er David kurz stehen und lief eilig auf die Fahrerseite des Fahrzeuges, während sein Vater den Blick Richtung Wald wandte. Seine langen, ergrauten Haare hingen ihm weit über den Rücken, verdeckten seine Schultern und gaben ihm etwas Andächtiges. Lediglich seitlich am Kopf befand sich sein kleiner Zopf, denn er mit bunten Bändern verziert hatte. Er trug neben den üblichen Jeans eine reichlich bestickte Lederjacke, die an den Ärmeln mit Fransen versetzt war. Der Kragen war bepelzt und ließ vermuten, dass auch das Innere der Jacke mit Pelz gefüttert war. Dinge, die Jasmin auffielen, als sie aus dem Auto stieg. Es roch frisch. Sie hörte die Stimmen der wenigen Vögel, die den Winter über in Kanada bleiben würden. Bleiben würden! Vielleicht würde sie diese Stimmen im Winter, wenn der Schnee kam, auch noch hören, wenn sie auf Johannas Worte vertrauen durfte. Das Mädchen seufzte auf, schlug die Tür zu und verschloss ihre Jacke. Der Himmel wollte heute nicht wirklich aufreißen. Hatte die Sonne vor, sich heute Zeit zu lassen?
    „Jasmin?“
    Sie erschrak nur allzu heftig, als Jaro von hinten an sie herantrat und nach ihr griff, um sie umzudrehen.
    „Mach dir keine Sorgen, Jasmin.“ Er starrte sie an, las in ihren Augen. „Du machst dir viel zu viele Gedanken. Deine Mutter hat dir gestern ein Versprechen gegeben und will es auch halten. Trotzdem wollen deine Eltern noch mit dir reden, bevor sie wieder abreisen.“
    Jasmin sah ihn mit leicht schief gehaltenem Kopf an.
    „Manuel?“
    Jaro drückte sie etwas an sich.
    „Du solltest etwas mehr Vertrauen haben. Es wird dich niemand mehr hier wegholen. Auch nicht in allerletzter Sekunde. Gehen wir hinein. Deine Eltern wollen sich von dir verabschieden. Komm schon.“
    Jaro schob sie eigentlich mehr mit, als das sie von selbst ging, und nahm ihr damit ihre Unsicherheit. Kino ging vor ihr und tauschte einen Blick mit seinem Großvater, als er die Treppen hinaufstapfte. Davids Blick glitt an ihm vorbei, blieb bei ihr hängen. Es war ein sanftes Lächeln, welches er ihr schenkte. Ein Lächeln, das ihr Sicherheit gab. Sie war so stolz darauf. Stolz, diese Leute kennengelernt zu haben und immer wieder aufs Neue erleben durfte. Sie waren so anders, ihre Anschauungen so weit, wie die Wälder dieses Landes, und ihre Ideale, so tief verwurzelt, wie der Baum, der schon hunderten Stürmen standgehalten hatte und darauf wartete, den nächsten hundert Stürmen zu widerstehen.
    Als Jasmin das Haus betrat, sah sie ihre Eltern am Frühstückstisch sitzen. Johanna unterbrach sofort ihr Tun und erhob sich in dem Moment, als die Tür hinter Jasmin ins Schloss fiel. Dem Mädchen wurde bewusst, dass sich außer der Familie Singing Bird und den Devots niemand im Raum befand.
    „Guten Morgen Jasmin!“
    Die Frau lud sie mit einer Handbewegung ein, am Tisch Platz zu nehmen, was dadurch unterstützt wurde, dass Jaro sie einfach nach vorne schob. Ihr blieb somit nichts anderes übrig, als zum Tisch zu gehen und sich zu setzen. Kino blieb etwas weiter hinter ihr und lehnte sich abwartend gegen eine

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