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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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Fernsehen!“, mahnte Stefan und beobachtete, wie das Mädchen ihr Gesicht verzog, aber dann leicht über den Kopf des Kitzes streichelte.
    „Und sie benehmen sich nicht wie Indianer“, bemerkte sie noch nebenbei.
    „Und?“ hakte Stefan nach. „Wie benehmen sich Indianer deiner Meinung nach? Jaro und Kino sind Menschen wie du und ich. Nur sie haben uns voraus, mit der Natur leben zu können. Sie glauben an ihren Großen Geist, an Great Spirit, der alles auf der Erde zusammenhält. Wir sind nur ein kleiner Teil des Ganzen. Menschen, wie die Singing Birds, würden niemals etwas tun, was der Natur nachhaltigen Schaden zufügt. Es würde ihnen nie einfallen, ihren Lebensraum auszubeuten. Sie glauben an die spirituelle Kraft, an die Energie der Erde, an ihre Totems, die Tiere und Pflanzen, die das Leben beeinflussen und an die Zeichen, die jeder von uns gesendet bekommt. Nur sehen tut das heute kaum noch einer. Manche von uns haben sogar die Fähigkeit, Great Spirit bewusst zu spüren, oder unterliegen seinem Schutz. Die Indianer sagen, dass das Menschen mit einem sehr offenen Herzen sind.“
    Markus nickte anerkennend.
    „Ja, klingt nach Buschmensch. Wie die Schamanen in Afrika. Mir ist trotzdem lieber, das zu sehen, was ich glauben soll.“
    „Ganz meiner Meinung“, tönte nun Christina. „Ist doch alles nur Aberglaube und Humbug. Dem einen sein Totem, dem anderen seine Woodoopuppe. Sollen sie doch anbeten, was sie wollen. Was mich betrifft … könnte jetzt jemand sein Woodoodings auspacken und nach dem Weg fragen? Mir tut alles weh, ich mag nicht mehr. Ich habe Hunger, mein Hintern ist platt wie eine Walze, und ich will endlich unter eine warme Dusche.“
    Damit animierte sie auch die anderen, wieder zu ihren Pferden zu gehen. Stefan brachte Jasmin zu Tom.
    „Willst du noch immer nicht aufsitzen? Du bist schon so lange zu Fuß gegangen. Es würde dir bestimmt leichter fallen.“
    Er bekam nur ein stummes Kopfschütteln.
    „Soll ich dir vielleicht das Kitz abnehmen? Ich könnte es vor mir über den Sattel legen.“
    Auch diesmal bekam er ein Kopfschütteln. Stefan resignierte und seufzte auf.
    „Was soll ich nur mit dir machen? Noch niemand ist die ganze Strecke zu Fuß gelaufen. Das Kitz wird dir zu schwer werden. Aber gut, ich lass dir deinen Willen. Mach dich bemerkbar, mit Zeichen, Klopfen, schmeiß mir einen Stein an den Schädel, wenn du Hilfe brauchst, okay?“
    Er strich ihr sanft über die Schulter. Bewunderung machte sich in ihm breit. Eisern hielt sie durch. Man bekam nicht mit, ob ihr etwas wehtat, ob sie noch konnte, oder ob sie sprichwörtlich schon am Zahnfleisch dahinkroch. Man merkte es schlicht nicht. Bei Tieren war es ähnlich. Tiere jammerten nicht, sondern erduldeten. Auch sie erduldete, benutzte die Gabe ihre Sprache nicht. Dabei erinnerte sich Stefan an etwas, was ihm Jaro vor einiger Zeit gesagt hatte.
    „Jedes Wesen hat eine Hülle. Diese Hülle kaschiert oft das, was das Wesen im Inneren fühlt, verdeckt die Seele, die schwer verletzt sein kann, und schützt sie damit, sodass man in der Lage ist, zu überleben.“
    Dabei war es um ihn gegangen. Seine Erlebnisse, seine Erfahrung und sein Wandel auf der Six Soul Ranch. Vieles hatte er den Indianern zu verdanken. Auch er hatte sich hinter seiner Hülle vergraben, sich damit geschützt. Jaro hatte an seinen guten Kern geglaubt, ohne Unterlass, nie an ihm gezweifelt. Und diese Stärke hatte ihm geholfen, zu sich selbst zu finden. Er hatte plötzlich ein Ziel gehabt, gewusst, für was er leben wollte. Nun war er hier, in Kanada, in jener Welt, die seine Herzensheimat war. Nicht eine Träne verschwendete er an die Stadt München, an die Hektik, die Verbote, die hirnlosen Gesetze, die kaum einer verstand, die Regeln, die nur Chaos im eigenen Kopf erzeugten. Hier hatte er gelernt, das zu schätzen, was lebenswert war. Er wusste, wie ein Wapiti lebte, wie man einen Grizzly bemerkte, noch bevor er für einen zur Gefahr wurde, wie sich das Heulen von Wölfen anhörte, wie man die Natur nutzte, ohne ihr Schaden zuzufügen, und wie man mit relativ wenig gut überleben konnte. Reichtum war etwas, was er schon lange beiseitegelegt hatte. Die Gier nach Reichtum hatte schon so viel Schaden angerichtet.
    Jetzt hatte er ein Wesen vor sich, die undurchdringlich schien. Eine starke, unzerreißbare Hülle, aber er glaubte, mit einem sehr weichen und auch kostbaren Kern.
    Stefan stieg auf sein Pferd und ritt wieder an die Spitze. Wieso fielen ihm die

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