Whisper (German Edition)
für Sekunden einem Herzinfarkt nahe. Hastig dreht er um und hastete zu den anderen zurück, die das Schauspiel mit einiger Skepsis beobachtet hatten.
„Leute“, stotterte der Junge und suchte mit leicht zitternden Händen die Zügel seines Pferdes, die er so fast umklammerte, dass seine Handknöchel weiß wurden, „das ist unheimlich!“
„Das sind doch bloß zwei Raben“, zischte Christina, lachte, als sie Markus weißes Gesicht entdeckte. „He, du hast ja richtig Schiss!“
„Ich glaube, wir sollten nicht in den Wald hineingehen“, warnte Patrick, dem die Vögel absolut weltfremd erschienen. Auch er hatte ein komisches Gefühl unter der Haut, weswegen er ungefähr nachempfinden konnte, wie Markus zumute war. Auch jetzt stritten sich seine Nackenhärchen noch um einen Stehplatz. Irgendwas stimmte hier nicht. Es fühlte sich eigenartig, irgendwie geisterhaft an, und er war geneigt, seiner inneren Stimme Folge zu leisten und abzuwarten.
„Es sieht so aus, als würden die Viecher das zu verhindern wissen.“ Seine dunkle, leicht vibrierende Stimme zeigte, wie todernst er es meinte, doch Christina lachte ein weiteres Mal auf.
„Ihr habt ja ne Meise. Das sind bloß Vögel, wie es sie zu Tausenden in München gibt. Pass auf!“
Sie hob einen Stein auf und warf ihn in die Richtung des rechten Vogels. Verfehlte ihn aber meilenweit.
„Ich weiß nicht“, meinte Edith leise und legte dem Mädchen die Hand auf den Arm. „Du solltest das vielleicht lassen.“
Christina sah sie groß an.
„Was? Hast du jetzt etwa auch die Hosen voll?“
Edith blickte wieder zu den Vögeln hinüber. „Nein, aber es ist trotzdem unheimlich. Schau, wie groß sie sind. Auch wenn es nur Raben sein sollen, sie sind groß, ich mag sie nicht, und ich habe das Gefühl, dass sie uns beobachten. Lass sie einfach in Ruhe, okay!“
Christina lachte wieder, doch die durchdringenden Worte ihrer Freundin erreichten ihr Ziel. Sie hob keine weiteren Steine mehr auf, sondern begann ihre Begleitung ihrer Angst wegen aufzuziehen. Markus war das egal. Er wusste, was er gespürt hatte. Es war eine deutliche Warnung gewesen. Patrick schien das irgendwie zu bemerken, denn er beobachtete die schwarzen Vögel ebenfalls mit gewissem Respekt, während Edith versuchte, mit Christina mitzulachen, die das Verhalten ihrer Mitstreiter absolut lächerlich fand. Niemand bemerkte ihren verstohlenen Blick, den sie hin und wieder auf die Tiere warf. Alfred Hitchcocks „Die Vögel“. So könnte es angefangen haben …
Stefan verzichtete darauf, nach Jasmin zu rufen, sie würde sowieso nicht antworten. Weit konnte sie noch nicht sein, und trotzdem hatte er ein ganzes Stück zu gehen, bevor er sie durch das Gebüsch hindurch sehen konnte. Wütend trat er nach einem Ast, ärgerte sich über die halb verrotteten Wurzeln, die seinen Weg blockierten, und bemerkte, wie Jasmin in die Knie ging.
Als er endlich freie Sicht hatte, bemerkte er, dass Jasmin vor etwas in der Erde saß, was augenscheinlich ihre Interesse geweckt hatte. Vor ihm machte der Landstrich einen sanften Hügel, sodass er nicht erkennen konnte, was Jasmin entdeckt hatte, doch als er näher trat, leuchtete ihm rötlich-braunes Fell entgegen.
„Jasmin“, keuchte er und rannte das letzte Stück zu ihr, blieb aber abrupt stehen, als sein Blick auf das fiel, was sich vor ihm auftat. Keine drei Meter von ihm entfernt, lagen mehrere tote Leiber. Rotbraunes Fell bewegte sich leicht im Wind. Es war absolut still um ihn herum. Man konnte regelrecht den Tod fühlen, der sich genau über diesen Ort ausgebreitet hatte. Zwei Kadavern fehlte der Kopf. Blut hatte sich auf der Erde verteilt und war im Boden versickert. Überall konnte man Spuren der Verwüstung entdecken. Ein Zeichen, dass die Tiere während des Sterbens gekämpft hatten. Jasmin hockte neben einem dieser Körper, hielt etwas Zappelndes in Händen, welches gierig an ihren Fingern saugte. Stefan ging neben einem der Hirsche in die Hocke, berührte ihn sanft mit der Hand und konnte einige Einschusslöcher in dem Körper erkennen. Ein Kadaver ohne Kopf! Man hatte die Tiere der Trophäe wegen getötet und den Rest einfach liegen gelassen. Ein vollständiges, schönes, unbeschädigtes Geweih eines Wapitihirsches war auf dem Schwarzmarkt ein kleineres Vermögen wert, und der Größe des toten Tieres nach zu urteilen, musste der Bulle mächtig gewesen sein. Vermutlich hatte man die Kühe nur aus Lust am Töten mit erschossen und dabei das Kitz
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