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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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Geste und keinem Zeichen beschwert, gejammert oder anderweitig den Wunsch des Aufgebens geäußert. Es hatte den Anschein, als wäre sie wirklich ein absolut harter Knochen. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Beide Füße waren wund und überall aufgescheuert. Sie musste in den letzten Stunden mit dem Kitz durch die Hölle gegangen sein. Kinsky wusste, wie es war, wenn man sich eine Blase lief. Das bereitete schon unangenehme Schmerzen. Das, was er jetzt sah, war mehr als nur eine Blase. Sorge erfüllte ihn, zusammen mit dem Selbstvorwurf, nicht gut genug auf sie aufgepasst zu haben. Was war Jasmin nur für ein Mensch, der sich diese Dinge antat? Warum war sie derart stur neben dem Pferd hergegangen? Was bewegte dieses Mädchen? Zu gern hätte er gewusst, was in ihr vorging, was sie dachte und fühlte. Aber all das war an einem Ort verborgen, zu dem niemandem Zutritt gestattet war.
    Vorsichtig steckte er das Mädchen unter die Decke. Sie war so müde, dass sie kaum mitbekam, was mit ihr passierte, benahm sich, als hätte sie sich das Hirn zugekifft. Dabei war sie lediglich fertig. Kinsky konnte nur wiederholt den Kopf schütteln, warf prüfend einen Blick auf ihre Hände, auf denen er ebenfalls kleine Verletzungen gesehen hatte. Vermutlich war sie mehrmals ausgerutscht und hatte sich auf ihren Händen abgestützt, die eigentlich nichts tragen konnten. Noch nie hatte ihm ein Kind so sehr leidgetan wie sie, und noch nie war er so hilflos gewesen wie jetzt. Judith, Christina, Edith, auch die Jungs, waren junge Menschen, denen er mit den normalen Methoden beikommen konnte. Der beste Beweis war Stefan selbst. Aber bei Jasmin stand er vor einem geschlossenen Tor. Was konnte er tun, damit sie sich etwas öffnete, jemanden an sich heranließ? Er selbst musste es nicht unbedingt sein, aber vielleicht Stefan, Susanna oder auch Bobby. Jemand, dem sie etwas erzählte, dem sie vertraute, und ihn an ihren Sorgen teilhaben ließ. Es war so schwer ihr zu helfen, wenn sie sich wie ein Igel, einsam und allein, in ihre eigene Welt zurückzog.
    Leise schloss Kinsky die Tür hinter sich. Ihm entfuhr ein Lächeln, als er Stefan auf dem Sofa schlafen sah. Selbst ihn hatte der Tag geschlaucht. Vorsichtig rüttelte er an seiner Schulter, weckte ihn und ermahnte ihn, ins Bett zu gehen. Stefan schenkte ihm nur ein dezentes Murmeln, stand geistesabwesend auf und torkelte in sein Schlafzimmer. Vermutlich würde er mitsamt der Kleidung ins Bett fallen. Nun, so bildete Jasmin zumindest dabei keine Ausnahme.
     
    Der Mond leuchtete durch das Fenster auf Jasmins Kopf. Sie schlief unruhig. Leises Wimmern drang immer wieder über ihre Lippen und sie krallte sich in der Decke fest, als ob sie Halt suchen würde.
    „Jasmin!“
    Das Mädchen bewegte sich nicht viel und trotzdem war zu bemerken, dass sie wild träumte.
    „Jasmin!“
    Von weit her hörte sie ihren Namen.
    „Wach auf Jasmin, ich bin es!“
    Jasmin schlug die Augen auf. Helles Licht strömte ihr entgegen. Der Duft von wilden Blumen schummelte sich in ihre Nase und irgendwo zwitscherten Vögel. Sie fühlte einen lauen, warmen Windhauch um ihre Haut streichen, der sie angenehm berieselte.
    „Jasmin!“
    Wieder hörte sie ihren Namen, stand auf und ließ ihren Blick verwundert über die Wiese gleiten, in der sie gelegen hatte. Ein kleiner Schmetterling flog auf, Bienen summten um sie herum, und irgendwo rauschte eine Libelle mit ihrem dumpfen Brummen vorbei. Neugierig blickte sich das Mädchen um, um denjenigen zu finden, der ihren Namen gerufen hatte. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie die Gestalt bemerkte, die zielstrebig auf sie zukam. Zügig setzte sie einen Schritt vor den anderen, wippte mit dem Kopf auf und ab, wobei die Mähne im Wind leicht wehte. Jasmin glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Träumte sie denn? Ungläubig wischte sie sich über die Augen, doch als sie sie ein weiteres Mal öffnete, war sie noch immer da. Die schwarze, alte Stute, die so lange Zeit mit ihr gemeinsam durchs Leben gegangen war. Jasmin stand ganz auf. War sie denn nicht tot? Man hatte sie doch fortgebracht? Wieso kam sie ihr jetzt auf dieser Wiese entgegen?
    „Whisper?“, fragte sie vorsichtig und hatte irgendwie Angst, das Bild vor ihr könnte sich in Luft auflösen. Aber es löste sich nicht auf.
    „Ja, Jasmin, ich bin es.“
    Die Stimme erzeugte einen unterschwelligen Druck in ihrem Inneren. Das gab es doch gar nicht, das konnte es nicht …
    Die alte Stute trat vorsichtig heran, berührte

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