Whisper (German Edition)
schwarzen Haare wehten leicht im Wind, seine hochgewachsene, schlanke Gestalt stand am Zaun, während er mit großen Augen den Rappwallach verfolgte, und seine mittlerweile männlichen Hände, die kraftvoll zupacken konnten, waren leicht geballt. Kino hatte sich von dem jungen Burschen, der die ganzen Jahre auf Six Soul genauso zuhause gewesen war, wie auf der Singing Bird Ranch, zu einem attraktiven jungen Mann entwickelt. Sein Großvater war mittlerweile alt, hielt nicht mehr so gut durch, doch wenn Susanna die Drei zu Besuch hatte, dann genoss sie deren Anwesenheit, die etwas Eigenes mit sich brachte. Und dieser junge Mann, Kino Singing Bird, hatte etwas augenscheinlich Unmögliches möglich gemacht. Die Frau wurde in diesem Moment darin bestätigt, dass gewisse Menschen ein besonderes Feingefühl und ein Gespür besaßen, das sich mit nichts vergleichen ließ. Diese Eigenschaften hatte sie insbesondere bei der Familie Singing Bird festgestellt und nun wurde ihr präsentiert, wie es war, wenn diese Dinge zum Einsatz kamen. Es war ein wunderschönes, erhabenes Gefühl. Über eines war sich Susanna jetzt schon ganz sicher. Kinsky würde sich in den Hintern beißen, wenn er erfahren würde, was sich hier und jetzt zugetragen hatte, während er unterwegs gewesen war.
Jasmin ließ Tom wieder in leichten Trab fallen. Der Wallach schnaubte entspannt ab, schüttelte leicht den Kopf, bevor er in Schritt überging und sich gemütlich dem Zaun näherte. Es war nur zaghaft, aber man begann zu applaudieren, hieb erst zögerlich, doch dann immer mehr in die Hände, wobei die Jungs in die Luft boxten und Bewunderungsrufe ausstießen.
„Gut gemacht, Jasmin“, jubelte Patrick zu ihr herüber, während sich sogar Edith von der Begeisterung mitreißen ließ. „Super, Jasmin. Toll, echt stark!“, und erntete dafür einen bösen Blick Judiths, deren Gesichtsausdruck sich immer mehr versteinerte. Das „Baby“ konnte wohl besser reiten, als sie alle zusammen.
Noch bevor Tom den Zaun ganz erreicht hatte, war Susanna von hinten an Kino herangetreten und hatte ihm sanft die Hand auf die Schulter gelegt. Jetzt war sie an der Reihe einer weiblichen Intuition zu folgen.
„Wenn ich du wäre“, meinte sie leise, „würde ich mir jetzt eins von den Pferden nehmen und etwas mit ihr hinausreiten. Auch wenn sie nicht spricht, sie wird dir zuhören, weil sie in dir einen Freund gefunden hat, dem sie offensichtlich vertraut.“
Dabei winkte sie Stefan und deutete auf den Fuchs von Markus. Die stille Post funktionierte perfekt. Stefan bat Markus abzusteigen, schnappte sich die Zügel und führte das Pferd aus dem Viereck raus zu Kino. Tom war gerade stehengeblieben, und noch ehe Jasmin überlegen konnte, was sie tun sollte, saß Kino bereits auf seinem Pferd.
„Geht ein Stück hinaus“, meinte Susanna aufmunternd, um Jasmin den Glauben zu nehmen, die Idee wäre von Kino gekommen. „Ich denke, das wird dir ganz guttun und außerdem … „ Susanna trat etwas dichter an Tom heran, „habe ich da zwei ganz besondere Mädchen zu beschäftigen. So weiß ich dich wenigstens in guten Händen.“
Sie zwinkerte Jasmin zu, an deren Gesichtsausdruck man so schwer ablesen konnte, wie sie Nachrichten dieser Art aufnahm. Zudem war es von Susanna beabsichtigt, sie ein wenig zu überfallen. So konnte sie sie dorthin führen, wohin sie sie hinhaben wollte. Susanna war nicht dumm. Auch Kino war nur ein junger Mann, und so wie er Jasmin ansah … Egal, was er für sie empfand, Kino war das Beste, was Jasmin passieren konnte. Wenn einer es schaffen konnte, dieses verschlossene, in Angst und Einsamkeit verlierende und vor sich selbst versteckende Mädchen zu öffnen, dann er.
„Hast du Lust?“
Kino drehte den Fuchs Richtung Waldrand und warf Jasmin einen Blick zu. Diese hatte eine Hand auf Toms Mähnenkamm liegen, streichelte ihn zart und wandte sich dem Jungen zu. Doch, sie fühlte sich überfahren, aber die Möglichkeit, sich aus dem Zugriffsbereich der anderen zu entfernen … verlockend. Jasmin gab nach, lenkte Tom an Kino heran. Dieser erwartete sie mit einem strahlenden Gesicht, ritt an, trabte ein Stück, bevor er sein Pferd die Wiese hinaufgaloppieren ließ. Tom folgte ihm feurig. Diesmal brauchte er kein Signal, kein Kommando, nichts. Wild stürmte er dem Fuchs hinterher, ohne darüber nachzudenken, ob der Reiter auf seinem Rücken damit einverstanden war oder nicht.
„Immer diese Sonderbehandlungen“, war eine maulende Stimme zu hören.
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