Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
Vom Netzwerk:
war?
    Whisper! Der Ruf kam mehr automatisch. Alles in ihr schrie nach dem alten Pferd, nach ihrer Ruhe und nach der Geborgenheit, die ihr die Stute immer wieder gegeben hatte, wenn sie geglaubt hatte, allein zu sein. Sie hatte ihr geholfen, immer und immer wieder, hatte sie gelehrt, wie man körperlichen, wie auch seelischen Schmerz am besten ertrug. Bis …
    Whisper! Erneut rief sie verzweifelt nach der Stute, die so lange ihre Begleiterin gewesen war. Wenn sie doch nur einen Zipfel von ihr erhaschen konnte, wenn sie sie doch nur spüren würde. Vor ihr stand Tom und wartete. Ein ruhiges, von Grund auf liebes Pferd. Tom mochte sie, das wusste Jasmin. Er gab ihr zu verstehen, dass sie ihm vertrauen konnte, aber Tom war eben nicht Whisper. Whisper war … Jasmin verhielt, als sich plötzlich ein gewisses Gefühl breitmachte. Es löste sich, befreite, gab ihr tiefe innere Zufriedenheit. Und es war vertraut, liebevoll und voller Zuneigung.
    „Jasmin!“
    Das Mädchen erzitterte und schloss die Augen. Sie war da. Ihre gute alte Freundin war da.
    „Ich kann das nicht Whisper!“, erklärte sie leise, „Ich will …“
    „Nicht, Jasmin!“ Die Stimme war so weich und warm, dass Jasmin danach war, nach dem Wesen zu greifen, das es nicht gab. Zumindest nicht real.
    Du kannst das, Jasmin!“, hörte sie die Stimme sagen. „Ich weiß, dass du es kannst. Du hast ein liebes, ehrliches Pferd, der dir helfen wird, und du hast einen Freund, dem du felsenfest vertrauen kannst. Du kannst das. Du musst nur wollen. Hör auf dich an mich zu klammern. Lass los, Jasmin. Für diesen Schritt brauchst du mich nicht. Ich vertraue dir, du kannst das ganz allein. Ich werde bei dir sein, in deinem Herzen, auch wenn du jetzt in diesen Sattel steigst. Mach es für mich.“
    Jasmin glaubte, zerbrechen zu müssen. Sie hatte es sich geschworen, aber Whisper wollte nicht, dass sie sich daran hielt. Und für Whisper tat sie schlicht alles. Jasmin spürte, wie dieses tiefe, unbeschreibliche Gefühl sich wieder aus ihrem Herzen zurückzog. Sie wusste, dass es Whisper war. Whisper war bei ihr gewesen, um ihr zu helfen, um ihr zu zeigen, dass sie es konnte, und jetzt sah ihr Whisper aus ihrer Welt zu und hoffte. Hoffte, dass sie die Kraft haben würde über ihren Schatten … über ihr eigenes Ich zu springen.
    Nach wie vor liefen die Tränen über Jasmins Gesicht. Für Kino war es bemerkenswert, wie still sie zu weinen vermochte. Es gab kein Schluchzen, kein Jammern, kein Schniefen. Sie weinte nur, dabei verzog sie noch nicht mal wirklich das Gesicht. Und allein diese Stille machte ihn nahezu verrückt. Er sah die Hilflosigkeit, diesen Kampf, den sie mit sich selbst ausfocht, die stillen Worte, die sie niemandem sagte, und er wünschte sich nichts Sehnlicheres, als mit ihr sprechen oder sie in den Arm nehmen zu können, mehr als er bisher getan hatte, einfach nur, um ihr das Gefühl zu geben, für sie da zu sein. Sie tat ihm so entsetzlich leid und je mehr er diesen stillen Tränen zusah, desto mehr wurde ihm klar, wie weit sich sein Herz für Jasmin geöffnet hatte.
    Kino erschrak fast, als Jasmin plötzlich nach dem Zügel griff, den er nach wie vor in der Hand hielt. Etwas verdattert überließ er ihn ihr und beobachtete, wie sie an Tom herantrat. Ihr Hände glitten zittern über sein Fell am Hals. Was musste sie es kosten, das zu tun, was sie gerade tat oder vorhatte zu tun. Wieder ein Zögern. Ein Schlucken … das einzige Zeichen, welches zeigte, wie sie mit sich selbst kämpfte. Jasmin stellte den Fuß in den Steigbügel, ein letztes Zögern, bevor sie sich hochzog und ihr Bein über den Pferderücken schwang. Es kam ihr wie der tiefste Verrat an einer Freundschaft vor. Weich glitt sie in den Sattel und spürte kurz darauf Kinos Hände an ihrem Bein, die sie dazu veranlassten, ihn aus ihren nassen Augen anzusehen.
    „Wenn Whisper dich sehen könnte, wäre sie jetzt unsagbar stolz auf dich.“
    Und mit diesen Worten traf er einen genauen Punkt. Jasmin wusste, dass Whisper sie sehen konnte und Whisper war stolz auf sie. Sie saß auf einem anderen Pferd, spürte den Pferdeleib, konnte die Atmung fühlen, die Wärme, die von Tom ausging. Und sie spürte eine gewisse Zufriedenheit. Whisper war nicht nur stolz, sondern auch zufrieden.
    Kino zerplatzte fast vor Stolz. Er sah zwar diesen Zwiespalt und den Schmerz in ihren Augen, sah die bitteren Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, aber er war sich sicher, dass es Whisper gewesen war, die ihr

Weitere Kostenlose Bücher