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Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Titel: Whisper Island (01) - Sturmwarnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sah durchs Fenster. Dort beobachtete er so etwas wie ein kleines Wunder, das ihn sofort aufheiterte. Denn Gus saß auf einer alten Armeedecke, etwa eineinhalb Meter von Ralph entfernt, der auf einem Hocker vor seiner Werkbank saß. Die Augen des Labradors waren auf Seths Großvater gerichtet, was völlige Hingabe hätte andeuten können, wenn da nicht ein kleiner Haufen Trockenfutter neben der Sache gelegen hätte, an der Ralph gerade arbeitete. Seth sah zu und hörte, wie Ralph sagte: »Bleib, Gus«, und dann: »Komm. Sitz«, was der Hund gehorsam befolgte. Ralph lobte ihn und gab Gus ein winziges Stück Trockenfutter. Dabei sah er den Hund nicht an. Stattdessen richtete er seine ganze Aufmerksamkeit darauf, an dem Ding herumzuhantieren, das auseinandergelegt auf der Werkbank lag. Ohne dem Hund den Blick zuzuwenden, sagte Ralph: »Bett«, und Gus kehrte zur Armeedecke zurück. »Bleib«, befahl Ralph ihm, und der Hund rührte sich nicht vom Fleck. »Platz«, und schon legte er sich hin und blieb an Ort und Stelle. Das ist das achte Weltwunder, ging es Seth durch den Kopf.
    Er dachte, dass sich alles sofort ändern würde, sobald er die Tür aufmachte und die Werkstatt betrat, aber Gus hob lediglich den Kopf, wedelte mit dem Schwanz und stellte die Ohren leicht auf. Ralph blickte über seine Schulter, und als er Seth sah, sagte er zu Gus: »Okay«, und zu Seth: »Wenn er hochspringt, drehst du ihm den Rücken zu. Es ist mir egal, wie sehr du ihm zeigen willst, dass du sein bester Freund bist. Du tust genau, was ich sage. Wir werden diesen Hund erziehen.«
    Es waren drei Versuche nötig, aber Gus hörte schließlich auf, an Seth hochzuspringen und ihn mit typischer Labrador-Begeisterung zu begrüßen. Seth konnte ihm den Kopf tätscheln und die Ohren kraulen, und als sein Großvater ihm zwei Stückchen Trockenfutter gab, sagte Seth: »Braver Hund, Gus. Guter, guter, guter Hund!«
    »Übertreib es nicht mit deinem Lob, Enkelsohn«, knurrte Ralph. Er hatte ihm den Rücken zugekehrt, um sich wieder seiner Arbeit zu widmen. » Ein ›Gut‹ reicht. Jetzt sag ihm ›Bett‹.«
    Seth tat es. Gus sah so überrascht aus, wie es für einen Labrador möglich war, dass er von jemandem einen Befehl erhielt, den er zuvor immer als seinen liebsten Spielgefährten betrachtet hatte. Aber der Hund war folgsam, nahm freudig ein Lob entgegen und erhielt für diese außerordentliche Leistung ein Stück Trockenfutter.
    Seth stellte sich zu seinem Großvater an die Werkbank. Er sah, dass er das Gerät, das Becca King gehörte, auseinandergenommen hatte, und sagte: »Wo hast du das her, Grandpa?« Dann fügte er noch hinzu: »Was ist das?«, um die Tatsache zu überspielen, dass er wusste, wem es gehörte.
    »Diana hat es vorbeigebracht.«
    »Mrs Kinsale?«
    »Kennst du ’ne andere Diana?« Ralph hatte die Drähte auseinandergezogen und betrachtete sie stirnrunzelnd.
    »Nein«, räumte Seth ein, fragte sich aber gleichzeitig, wie Mrs Kinsale an Beccas Gerät gekommen war. Er fragte sich auch, wie Becca ohne das Gerät klarkam. Sie hatte nichts davon gesagt, dass sie es verloren oder beschädigt hatte. Andererseits war sie völlig panisch vor Angst gewesen, als er sie zum Dog House gebracht hatte, und hatte wohl in diesem Moment größere Sorgen gehabt.
    Er dachte darüber nach, als sein Großvater sagte: »Seth, hast du jetzt eine Erklärung für mich?« Er unterbrach, was er gerade tat, und blickte Seth an, und Seth konnte sehen, dass seine Augen ungewöhnlich traurig wirkten.
    »Erklärung wofür?«
    »Es sieht dir nicht ähnlich, mir gegenüber nicht offen zu sein«, erwiderte Ralph.
    »Ich wär’s ja, wenn ich wüsste, wovon du redest.« Gus gab ein Jaulen von sich und Seth blickte zum Labrador. Der Hund beobachtete sie beide wie ein Kind ein Tennisspiel.
    »Meine Campingausrüstung ist verschwunden, Seth. Du hast den Spanngurt von den Dachsparren hängen lassen.«
    Seth senkte den Blick. Er sah wieder auf, als Ralph an der Werkbank die Stellung wechselte, sodass sein Gesicht im Schatten lag, als er sich dagegenlehnte. Die starke Arbeitsleuchte war jetzt hinter ihm und bildete einen Heiligenschein um seinen Kopf. Seine Haare waren offen und glänzten im Licht.
    »Hast du aus irgendeinem Grund Geld gebraucht?«, fragte Ralph ruhig.
    »Was meinst du?«
    »Ich meine, hast du meine Campingausrüstung verkauft?«
    »Warum sollte …« Seth unterbrach sich. Er schaute zu seinem Großvater hinüber und sah einen Ausdruck auf Ralphs Gesicht,

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