Whisper Island (01) - Sturmwarnung
Eifersucht mir jedenfalls nicht viel eingebracht«, gab Seth freimütig zu.
»Gut, dass wir uns wenigstens darin einig sind. Neben der Notwendigkeit, Futter für deinen Hund zu besorgen.«
Ralph klopfte sich auf die Oberschenkel und stand auf. Dann hievte er sich den Beutel mit Hundefutter auf die Schulter. Seth folgte seinem Beispiel. Sie liefen zu Ralphs Wagen, der – wie Seth sah – direkt neben seinem VW geparkt war. Drinnen saß Gus. Als Seth die Tür öffnete, sprang der gelbe Labrador heraus und an ihm hoch, wobei er seine Pfoten auf Seths Schultern legte.
Ralph ließ ihn eine Minute lang gewähren und sagte dann: »Ins Auto, Gus«, und der Hund gehorchte. Dann wandte Ralph sich an Seth. »Ich habe etwas vor, möchte dich aber vorher um Erlaubnis bitten, Seth.«
Seth hob die Augenbrauen. Das war etwas ganz Neues. »Was denn?«
»Ich möchte mit Hayley sprechen.«
»Ach, nein, Grandpa. Bitte nicht. Ich meine …«
Ralph hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Nicht wegen euch beiden. Jedenfalls nicht direkt. Aber es gibt etwas, das ich mit ihr besprechen muss und ich möchte deine Erlaubnis. Wenn du nicht willst, vergessen wir es. Aber wenn du einverstanden bist …«
Seth dachte darüber nach. Noch nie hatte sein Großvater etwas getan, das anderen geschadet hätte.
Deshalb sagte er: »Na gut. Von mir aus. Aber darf ich dir etwas raten?«
»Sicher. Schieß los.«
»Erwähne nicht ihren Vater.«
Ralph dachte darüber nach und strich sich über den Schnurrbart. »Seth«, erwiderte er schließlich, »wenn ich eins im Leben gelernt habe – und ich habe weiß Gott nicht viel gelernt –, dann war es, dass die Dinge, die man Menschen gegenüber nicht erwähnen sollte, der eigentliche Grund sind, warum man überhaupt mit ihnen spricht.«
K APITEL 34
Als Hayley vorsichtig die Tür aufdrückte, sah sie, dass Rhonda Mathieson bei ihrem Sohn im Zimmer war. Sie war dabei, Derrics Kopf zu rasieren, der inzwischen keinen Verband mehr trug. Sein Kopf war glatt und rund, ohne dass Hayley auch nur die geringste Unebenheit erkennen konnte. Sie hatte ihn einmal gefragt, warum er sich den Kopf rasierte, und ihn geärgert und gesagt, er wolle nur mit seiner perfekten Kopfform angeben. Da hatte er gelacht, mit seinem typischen, ausgelassenen Derric-Lachen, und gesagt, dass es in Uganda Brauch sei. Außerdem hatte er es gerne so.
Rhonda schaltete den Rasierer aus. »So, mein Schatz«, sagte sie. Dann drehte sie sich um und sah Hayley in der Tür stehen. »Dich habe ich gar nicht erwartet, Hayley«.
»Ich steh nicht auf der Anmeldeliste. Ich wollte nur kurz sehen, wie es ihm geht.«
»Unverändert.« Rhonda rang sich ein Lächeln ab. »Und wie geht es dir, Liebes?«
»Er fehlt mir.«
»Das kann ich gut verstehen.«
»Wie kommen Sie und Sheriff Mathieson zurecht?«
Rhonda drehte sich wieder zum Bett und fummelte an Derrics Bettzeug herum, zog das Bettlaken glatt und zupfte an seiner Decke. Dabei sagte sie: »Wir sehen uns zur Zeit nicht so häufig. Wir lösen uns immer hier ab, also treffen wir uns fast nur zum Frühstück. Dave hält sich viel in Langley auf. Er will unbedingt herausfinden, wer dem Jungen etwas getan hat. Und was Derric im Wald wollte. Bei mir ist das anders. Ich will bloß, dass Derric wieder aufwacht.« Dabei berührte sie sanft die Wange ihres Sohnes.
Hayley fand, dass es noch mehr gab, worüber sie beide hätten sprechen können, aber sie schwieg, und auch Rhonda sagte nichts weiter. Hayley sah sich im Raum um und bemerkte, dass die Ballons keine Luft mehr hatten und ersetzt werden mussten. Rhonda folgte ihrem Blick und band die erschlafften Ballons vom Fußende des Bettes los.
»Ich lass dich ein wenig mit ihm allein, Hayley. Es ist immer schön, dich zu sehen. Danke, dass du gekommen bist.«
»Kein Problem«, erwiderte Hayley und ging zum Bett, während Rhonda den Raum verließ. Als sie neben ihm stand, sah sie, dass Derric trockene Lippen hatte, also holte sie ein kleines Döschen mit Lippenbalsam aus der Tasche und trug etwas davon auf seine Lippen auf. Den Rest verteilte sie auf ihren eigenen Lippen. Das war wie ein Kuss und sie dachte wieder an den Abend, als sie sich nach der Tanzveranstaltung geküsst hatten. Sie konnte noch immer nicht vollständig erfassen, was sich in dem Augenblick alles verändert hatte und was seitdem passiert war.
Er war so ein guter Freund. Etwas ganz Besonderes.
Ich schenke dir Afrika so lange, bis du es selbst besuchen kannst , hatte er ihr gesagt
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