Whisper Island (01) - Sturmwarnung
einen Ruck, bemühte sich, sein Flüstern ins rechte Licht zu rücken, und begriff, dass er an den Preis des Sandwichs dachte. Da wurde ihr klar, dass sie nicht so weiterleben und von Seth Darrow erwarten konnte – ganz gleich, wer er war –, ihr ständig aus der Patsche zu helfen. Sie würde etwas unternehmen müssen, um ihre Situation zu ändern, und das so bald wie möglich.
»Ich muss mit dir reden, Becca. Hayley glaubt …«, begann Seth, und einen Moment lang hörte Becca nichts weiter, weil die Wucht seines Flüsterns, als er Hayleys Namen aussprach, ihre Trommelfelle regelrecht zum Beben brachte: Hayley ist gekommen … ich will … warum kannst du nicht … nein, hab ich nicht, und warum würde ich das tun … verstehen, warum du nicht … kennst mich, kennst mich, KENNST MICH … etwas Besonderes, aber es geht nur um ihn, es ist immer nur um ihn gegangen, oder … ODER HAYLEY …
Tatsächliche Worte begleiteten sein Flüstern, das jedoch alles übertönte, was er sagte. Becca warf die Arme hoch. Sie drückte sich die Handflächen auf die Ohren und schrie: »Hör auf!«, bevor ihr bewusst wurde, was sie tat und was sie sagte und welchen Eindruck es auf Seth machen würde.
Ihre Reaktion erstaunte ihn so sehr, dass sein Flüstern und das, was er sagte, abrupt verstummten. Einen Moment später war sie wieder in der Lage, ihn sagen zu hören: »Was soll ich nicht tun? Womit soll ich aufhören? Ich beschuldige dich doch gar nicht. Ich bin derjenige, den man beschuldigt. Wenn du also irgendeinen Grund hast, Hayley nach meinen Sandalen zu fragen, würde ich den gerne kennen, und zwar sofort.«
Sie erwiderte: » Welche Sandalen?« Aber nicht, weil sie sich dumm stellen wollte. Momentan versuchte sie nur, nach allem, was auf sie eingestürmt war, wieder Halt zu finden.
Doch Seth verstand das nicht. Wie konnte er auch? Er schob seinen Stuhl zurück, der über den alten Holzfußboden scharrte, und fuhr sie an: »Na, großartig! Dann denkst du das also auch. Ich fass es einfach nicht! Jetzt hör mir mal gut zu: Ich hab diesen Typen nicht angerührt! So etwas würde ich nie tun! Für wen halten mich die Leute eigentlich?«
Dann entfernte er sich abrupt vom Tisch. Er marschierte zum großen Spiegelglasfenster und schlug einmal so fest mit der Faust dagegen, dass die ganze Scheibe erbebte. Er hatte Glück, dass sie nicht zerbrach und er sich dabei verletzte. Wünschte … einfach alles beenden … verriet Becca, dass er genau das gehofft hatte.
Sie starrte ihn an. Seine Schultern hoben und senkten sich. Er schnappte laut nach Luft.
Für einen flüchtigen Augenblick wunderte sie sich darüber. Oh mein Gott, dachte sie. Er versuchte, seine Tränen zurückzuhalten. Und dann hörte sie: Hat alles keinen Sinn … totale Lachnummer. Und da war sich Becca auf einmal sicher.
Manchmal bestand das Flüstern nicht aus willkürlichen Gedanken. Manchmal war das Flüstern ein Zeichen. Und das Flüstern, das jetzt von Seth kam, verriet ihr, was wirklich war und was nicht. Er hatte nichts getan, um Derric Mathieson zu schaden. Er hatte ihm kein Haar gekrümmt.
Becca stand von ihrem Platz auf. Sie war unschlüssig, ging aber trotzdem auf ihn zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und spürte, wie er zusammenzuckte. Er wirbelte herum und diesmal zuckte sie zusammen.
Bevor er etwas sagen konnte, erklärte sie: »Ich hab den Abdruck deiner Sandalen in den Saratoga Woods gesehen. Direkt neben der Stelle, wo Derric gestürzt ist. Ich habe Hayley nach deinen Sandalen gefragt, weil ich dachte, dass hier in der Gegend vielleicht viele Leute die gleichen Sandalen tragen. Vielleicht war es gar nicht dein Fußabdruck.«
Seth blickte sie fest an. Sie blickte Seth fest an. Was soll ich tun? … was soll ich tun? … lag schwer in der Luft, und sie wusste, warum. Es lag daran, dass sie es beide dachten, nicht nur Seth. Und ihr was soll ich tun? wurde begleitet von: Was kann ich tun, um Seth zu helfen, der niemandem etwas zuleide getan hat? Aber jemand anders hatte es getan, und sie ahnte auch, wer.
»Dieser Dylan hat die gleichen Sandalen wie du, Seth. Vielleicht besitzen noch ein paar andere Leute diese Schuhe. Ich habe sie an niemand anderem gesehen, aber …«
»Er war an dem Tag im Wald«, unterbrach Seth sie.
»Dylan? Ich hatte mich das schon gefragt. Hayley meinte, dass sich oben bei dem großen Felsen Leute treffen …«
»Beim Findling, ja. Die Kiffer gehen dorthin.«
»Wohin noch?«
»An viele andere Orte.«
»In den
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