Whisper Island (01) - Sturmwarnung
machen.«
Sie schwieg einen Augenblick. Dann fügte sie hinzu: »Aber wir alle würden gerne die eine oder andere Sache in unserem Leben verändern, nicht wahr?«
»Seth hat mir erzählt, dass sie einen Fahrradunfall hatte«, sagte Becca. »Aber Debbie sagte, Ms Ward von der Highschool hätte sie getötet.«
Die beiden betrachteten den Stein. Das Todesdatum verriet Becca, dass Reese Grieder seit fünfzehn Jahren tot war.
»Seth und Debbie sagen beide die Wahrheit«, sagte Diana. »Aber wie bei jeder Geschichte sind es die Details, auf die es ankommt. Denn neben Reese, Ms Ward und dem Fahrrad war auch noch ein Reh in den Unfall verwickelt. Es sprang direkt vor ihnen auf die Straße. Ms Ward wollte dem Reh ausweichen, Reese wollte dem Reh ausweichen, und so sind sie zusammengestoßen. Reese wurde von Ms Wards Auto erfasst. Und sie hatte keinen Helm auf.«
»Das ist ja schrecklich«, sagte Becca.
»Wenn Debbie die Zeit zurückdrehen könnte, würde sie Reese hinterherfahren. Sie redet sich ein, dass sie das Unglück hätte verhindern können.«
»Aber das geht doch gar nicht.«
»Du sagst es«, stimmte Diana zu. »Wir können nicht noch mal von vorne anfangen, und wir können nicht ändern, was einmal geschehen ist, so sehr wir es auch versuchen.«
Becca fiel auf, dass das Grab nicht gepflegt war. Auf dem Grabstein wuchsen Flechten. Das machte sie noch trauriger, und Diana, die das zu bemerken schien, sagte zu ihr: »Debbie bringt es nicht fertig, herzukommen, und niemand traut sich, ihr zu sagen, dass der Stein aufgrund der Witterung langsam verrottet.«
Sie hakte sich bei Becca ein und die beiden kehrten wieder um und gingen zurück zum Wagen. Diana sagte: »Wenn wir nicht begreifen können, warum etwas geschehen ist, suchen wir manchmal lieber jahrelang vergeblich nach dem Grund, als dass wir versuchen, den Schmerz zu ertragen und darüber hinwegzukommen. So sind wir Menschen nun mal.«
TEIL III
THE DOG HOUSE
K APITEL 20
Hayley Cartwright wusste, dass Seth Darrow den Grund für ihre Trennung niemals würde begreifen können. Er redete sich ein, es läge an Derric, aber das war nur wegen seines mangelnden Selbstbewusstseins. In Wahrheit hatte ihre Trennung herzlich wenig mit Derric zu tun.
Doch Seth war davon überzeugt. Seit dem Abend, als er eigentlich mit seinem Trio in Lynwood auftreten sollte. Als er dort mit seinen Freunden ankam, stellten sie fest, dass der Veranstalter aus Versehen noch eine andere Band, Paranoid Amber , gebucht hatte. Danach hatte er schlechte Laune, was Hayley ihm auch nicht verdenken konnte. Immerhin hatte er extra eine Fahrkarte für die Fähre gekauft, war quer durch die halbe Stadt gefahren und mit seinem Trio pünktlich am Spielort erschienen, nur um zu erfahren, dass jemand Mist gebaut hatte. Und diesmal war es nicht seine Schuld.
Als er dann wieder auf der Insel war, wollte er sich im Kunst- und Kulturzentrum von Langley ablenken. Auf dem Plakat waren eine Tanzgruppe und Musiker aus Ruanda angekündigt, und da Seth im Leben nichts mehr liebte als Musik, ging er hinein, um sie sich anzusehen.
Dort waren die üblichen Verdächtigen. Immer, wenn irgendwo eine Musik- oder Tanzveranstaltung stattfand, kamen die alternden Hippies der Insel aus dem Unterholz gekrochen. Derric und Hayley waren auch da und tanzten. Sie waren zusammen zum Konzert gegangen, was aber nicht bedeutete, dass sie etwas miteinander hatten. Bei Hayley war es reines Interesse, und für Derric war es ein Ausflug zurück zu seinen Wurzeln. Auch wenn er nicht aus Ruanda, sondern einem anderen Teil Afrikas stammte. Derric hatte an diesem Abend so glücklich gewirkt, wie Hayley ihn noch nie gesehen hatte.
Aber davon hatte Seth nichts mitbekommen. Alles, was er sah, war, dass Hayley mit Derric zusammen war, einem groß gewachsenen, gut aussehenden, muskulösen, sexy Jungen, der gleichzeitig ein Musterschüler und hervorragender Sportler war. Abgesehen von ihrem ähnlichen Musikgeschmack war er praktisch alles, was Seth nicht war. Und er war genau das, was Mädchen sich Seths Meinung nach wünschten, und was er selbst gerne gewesen wäre.
Nachdem sie getanzt hatten, mussten sie und Derric lachen, weil sie eigentlich gar nicht tanzen konnten. Aber das traf auf fast alle Leute im Raum zu, außer auf die Gruppe aus Ruanda. Sie und Derric umarmten sich und schaukelten hin und her, wie das eben Leute so machten, wenn sie Spaß hatten und sich amüsierten. Und dann küssten sie sich. Ganz spontan. Derric hielt
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