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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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umgeben von Vergangenheit und mein Lächeln verfängt sich in fremden Geschichten. Ich will auch eine Geschichte haben, eine, die ich selbst bestimme.
    Eliza, 15. Juli 1975
    N oa stand vor der Dachbodentür. Sie war offen und kalte, staubige Luft schlug ihr entgegen, aber sie konnte nicht nach oben gehen. Das dunkle Viereck, das sich vor ihr in die Luft stanzte, war wie eine Grenze. Kat und Gilbert hatten sie durchschritten, doch Noa konnte keinen Schritt tun, nicht einen. Wie angewurzelt standen ihre Füße auf dem schäbigen Teppich vor den rostroten Holzstufen. Kats Stimme hallte von oben herunter und Noa ertappte sich dabei, dass sie auf einen Schrei wartete, aber alles, was kam, waren Ahs und Ohs. .
    »Wunderbar«, schwärmte Kat, als sie eine Stunde später ihren Kopf in Noas Zimmer steckte. »Der Speicher ist phantastisch, ein riesiges Teil, da könnte man sich wunderbar was einrichten. Gilbert will natürlich einen Meditationsraum oder ein Bücherzimmer, aber ich hätte eigentlich mehr Lust auf ein Kino, was denkst du?«
    Wie immer ließ Kat Noa nicht die Zeit, auf ihre Frage zu antworten, sondern redete einfach weiter. »Und all das Zeug da oben, ich frage mich, von wem das ist, das hättest du sehen sollen. Nicht gerade mein Geschmack, aber ein paar Sachen davon waren ziemlich wertvoll, jedenfalls ein ganz schöner Unterschied zu den Möbeln hier im Haus. Aber sag mal, warum bist du eigentlich nicht mit hochgekommen?« Jetzt hielt Kat doch inne und pikste Noa mit ihrem staubigen Zeigefinger in die Seite.
    »Keine Lust.«
    »Denkst an David, hm?« Kat lehnte sich in den Türrahmen, in ihren roten Haaren hingen Spinnweben. »Hör mal, heute Abend läuft der Tatort , in dem ich mitgespielt habe. In der Kneipe gibt es einen Fernseher. Ich war gestern da und habe Gustaf gefragt, ob wir ihn dort sehen können. Der ist vor Stolz fast geplatzt. Was meinst du, gehen wir hin?«
    »Danke, nein.«
    »Scheiße, Noa!« Kats Stimme war jetzt schrill und hoch. »Willst du jetzt hier rumhocken und die beleidigte Leberwurst spielen wie immer? Wenn du mir schon nicht verraten willst, was diesen David in die Flucht getrieben hat, warum raffst du dich nicht auf und sprichst mit ihm? Ich habe doch genau gesehen, dass du ihn magst. Wenn mir so jemand einfach weglaufen würde, dann würde ich –«
    »Ich bin nicht du, Kat.«
    »Nein.« Kat seufzte. »Das bist du nicht. Aber manchmal wünschte ich mir, du würdest dir das Leben ein bisschen leichter machen. Hey …« Kat machte einen Schritt auf Noa zu, hielt dann aber inne, als stünde jetzt sie vor einer Grenze. »… Hey, weißt du, was? Wenn du schon nicht auf den Boden willst, wie wär’s, wenn ich dir mit dem Keller helfe, mit deiner Dunkelkammer? Eigentlich wollte ich David darum bitten, aber so wie es aussieht, müssen wir uns jetzt ja jemand anderen suchen. Und solange – Voilá!« Kat machte eine tiefe Verbeugung. »Ich stehe ganz zu deinen Diensten. Einverstanden? Ablehnung abgelehnt!«
    Noa musste lächeln. »Einverstanden.«
    Der Keller war ein schwarzes, fensterloses Loch, noch düsterer, als Noa der Dachboden erschienen war. Für einen Moment zögerte sie. Doch dann strich sie entschlossen ihre Haare aus dem Gesicht und maß den Raum mit ihren Augen aus. Schließlich war die Aussicht auf eine eigene Dunkelkammer einer der Hauptgründe gewesen, warum sich Noa auf diesen Urlaub eingelassen hatte. Und für diesen Zweck war der Keller perfekt. Das trübe Licht der Glühbirne, die an einem nackten Kabel von der Decke baumelte, flackerte, aber es funktionierte.
    Kat war schon dabei, die leeren Kartoffelkisten, die sich in Stapeln auf dem Boden türmten, nach oben zu räumen. Ansonsten lag oder stand kaum etwas herum. Ein paar durchlöcherte Säcke, eine tote Maus, die Hitchcock interessiert beschnupperte, ein alter, offensichtlich ausgemisteter Eisenofen und ein ausgeklappter Tapeziertisch. Kat strich mit der Hand darüber. »Den könntest du doch für deine Fixierer benutzen, oder nicht? Komm, fass mal mit an.«
    Gemeinsam rückten sie den Tisch in die Mitte des Kellers. »Hast du deine Schalen dabei?«, fragte Kat.
    Noa nickte. »Die sind noch im Auto, hinten, unter meinem Sitz.«
    An der Wand, ein dunkles, ziemlich brüchiges Mauerwerk, hingen zwei Haken, wie geschaffen für eine Leine, an der Noa ihre Fotos aufhängen konnte, und die Glühbirne würde sie durch einfaches Rotlicht austauschen. Das Einzige, was sie nicht mitgebracht hatte, waren die Konzentrate –

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