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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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fragst du mich?«
    »Ja.« Kat holte tief Luft. »Das frage ich dich. Manchmal glaube ich, dass du mir in vielem voraus bist. Ich weiß, dass ich keine gute Mutter für dich war, Noa, glaub mir, ich weiß das. Aber ich liebe dich und ich … ich bin verdammt stolz auf dich. Das habe ich Robert gestern gesagt und er hat mich gefragt, ob du das eigentlich weißt.«
    Noa sah ihre Mutter an. Der winzige Moment, in dem sie sich hätten in den Arm nehmen müssen, war schon verstrichen, vorbeigefahren wie ein Zug, der nur kurz gehalten hatte. Noa fror, es war eine Kälte, die aus ihrem Herzen kam und es zusammenkrampfte zu einer kleinen, harten Kugel.
    »Pass auf dich auf, Kat«, sagte sie tonlos. »Und herzlichen Glückwunsch wegen des Bambis. Das ist großartig.«
    Kat sah Noa in die Augen und nickte, ganz leicht. Es lag unendlich viel Zärtlichkeit in dieser Bewegung und unendlich viel Schmerz.
    »Ich werde das Interview machen«, sagte Kat, als sie in Gilberts Zimmer kam, um sich zu verabschieden. Gilbert und Noa waren gerade dabei, die Bücher wieder in die Regale zu räumen, und David blätterte in dem Wälzer über Geisterbeschwörungen, den Gilbert an ihren ersten Tagen hier gelesen hatte.
    »Hey, die neue Farbe sieht klasse aus. Das Haus wird wie neu sein, wenn wir hier wegfahren. Danke – auch dir, David.« Kat legte David eine Hand auf die Schulter. »Und das mit gestern Abend tut mir Leid. Ich werde mich bei Gustaf für mein idiotisches Verhalten entschuldigen.«
    David sah Kat kühl an. »Damit solltest du vielleicht noch eine Weile warten. Gustaf war ziemlich verstört nach deinem Auftritt gestern. Ich glaube nicht, dass er damit klarkommt, wenn du dich jetzt in der Kneipe blicken lässt.«
    »Gut«, sagte Kat. »Gut. Wie du meinst. Ich will euch wirklich keinen Ärger machen.«
    Gilbert legte sich früh schlafen an diesem Abend, aber Noa und David fanden keine Ruhe, nicht mal, um sich zu küssen. Als im Haus alles still war, nahm David Noa bei der Hand.
    »Komm mit«, sagte er. »Wir gehen zur Mühle.«
    »Was?« Noa starrte ihn an, aber David umschloss ihre Hand nur noch fester. »Mir reicht’s«, sagte er. »Ich will jetzt endlich etwas finden, das uns weiterhilft.«
    Im Dorf leuchteten noch die Laternen, doch der Mond schien nicht an diesem Abend, und unten bei der Mühle, die sich wie ein schwarzer Schatten von der Umgebung abhob, war es so dunkel, dass Noa kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Der Wald schien zu atmen, ein großes, rauschendes Atmen. Die Tür zur Mühle war verschlossen, aber an der Seite über dem Mühlrad stand ein Fenster offen.
    »Ich klettere hoch«, flüsterte David Noa zu, »und mache dir dann von innen die Tür auf, okay?«
    Er lockerte seinen Griff, aber jetzt war es Noa, die seine Hand festkrallte. »David, das … was du da vorhast, ist Einbruch, und zwar noch eine Runde heftiger als dein Besuch auf unserem Dachboden neulich nachts. Für so was hier können wir im Knast landen, ist dir das klar?«
    David lachte leise. »Und was ist mit Mord?«, zischte er. »Dafür sollte man doch eigentlich auch im Knast landen oder nicht? Verdammt Noa, in diesem Dorf läuft ein Mörder frei herum –und es kann sogar sein, dass deine Mutter gerade ihre Pizza mit ihm teilt. Wenn du Angst hast, mit mir in die Mühle zu kommen, dann geh zurück. Ich will jetzt jedenfalls da rein, bevor es zu spät ist. Also … entscheide dich.«
    Noa ließ seine Hand los.
    »Okay«, sagte sie fast lautlos. »Geh vor, aber beeil dich, hörst du? Ich warte bei der Tür auf dich.«
    Sie drehte David den Rücken zu, sie wollte nicht sehen, wie er das Mühlrad hochkletterte, und sie wollte nicht darüber nachdenken, was geschehen würde, wenn Robert sie in seinem Haus erwischte. Ein leises Knarren ertönte in ihrem Rücken, dann ein Knacksen, es schien aus dem Wald zu kommen. Dann war wieder alles still. »Komm schon, David«, flüsterte Noa verzweifelt. »Komm schon, mach auf.« Sie drückte sich an die Haustür – und stieß einen leisen Schrei aus, als die Tür mit einem Ruck nachgab. David fing Noa gerade noch auf, sonst wäre sie ins Haus gestolpert.
    Der Duft von Kat lag noch im Raum, als Noa und David die beiden Kerzen anzündeten, die sie von zu Hause mitgenommen hatten.
    Der Raum kam Noa noch größer vor als bei ihrem ersten Besuch, was nicht nur am flackernden Lichtschein der Kerzen lag, sondern auch an ihrem Gefühl, in etwas Verbotenes, Unbestimmtes einzudringen. Würden sie hier etwas finden,

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