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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Schritt eine potenzielle Gefahr.
    Â»Wir halten abwechselnd Wache. Deine Ohren und meine Augen – das
müsste reichen.«
    Lisa ist erschöpft, genau wie ich. Die bleierne Schwere in meinen
Knochen ist mittlerweile ein Teil von mir, wie ein Bein oder Ohr. Sie gehört
einfach zu mir. Umgekehrt hat sie Besitz von meinem Körper ergriffen und bestimmt,
wann ich rasten, schlafen oder vor Müdigkeit gähnen soll. Täglich durchzuckt mich
die Angst, dass es nicht die anstrengende Wanderung, sondern White Horse ist,
das mein Handeln bestimmt. Aber ich sehe keine Spur von Blut, und ich spüre
keine Schmerzen in den tieferen Gewebeschichten, und so verkriecht sich die
Furcht und wartet in ihrem Versteck, bis sie mich das nächste Mal überfallen
kann.
    Ich stelle Becher und Flaschen zum Auffangen des Regens vor uns.
    Â»Ich übernehme die erste Schicht«, beruhige ich sie. Sie reibt sich
die Augen mit den Handballen und rollt sich zwischen den Baumwurzeln zusammen.
Mein Körper bleibt starr. Ich spiele mit ihm, spanne die Muskeln an, bis sie
zittern, und lasse los, damit das Blut wieder fließen kann.
    Sekunden ziehen vorbei; Minuten trödeln dahin; Stunden schleppen
eine Kette mit einer Eisenkugel hinter sich her. Jenseits des Baums wartet die
Nacht. Sie ist immer noch da, geduldig lauernd, als ich Lisa um zwei Uhr wecke.
Ich wollte, wir hätten einen Hund. Ein Hund hat Ohren und Augen. Ein Hund ist
immer auf der Hut, selbst im Schlaf.
    Â»Pfirsich oder Erdbeere?«
    Â»Pfirsich«, sagt sie und lehnt sich gegen den Baumstamm, halb hier,
halb im Reich der schönen Träume.
    Ich fürchte, dass sie wieder einschläft. Dass, wer immer die
Explosion ausgelöst hat, uns hier finden wird, wehrlos und verwundbar. Ein
Monster in Menschengestalt. Und dass mein Instinkt mich nicht rechtzeitig
warnen könnte. Aber mein Verstand macht eine letzte Runde durch die Nacht und
knipst die Schalter meines Bewusstseins aus. In Sorge sind nur die Wachen. Also
rolle ich mich so zusammen, dass der breite Stamm des Baumes meinen Rücken
schützt, und lösche das allerletzte Licht.
    ZEIT: DAMALS
    Die Welt geht zugrunde, die Bevölkerung ist auf die Hälfte
und dann nochmals auf die Hälfte geschrumpft. Ich muss nach Brindisi. Ich sitze
am Flughafen fest und warte auf eine Maschine, irgendeine letzte Maschine, die
mich nach Europa bringt. Kein Geld wechselt die Besitzer; mit Geld kann man
bestenfalls Matratzen ausstopfen.
    Â»Sie, Sie und Sie«, sagt der Mann und deutet auf mich und zwei
andere. »Wir fliegen nach Rom. Akzeptieren Sie den Preis?«
    Ich nicke. Sie verlangen nichts weiter als einen Beutel Blut. Davon
habe ich genug.
    Auf der Rollbahn zapfen sie eine Vene an. Ich balle die Hand zur
Faust und öffne sie wieder, um das Blut schneller in die Kanüle zu pressen.
    Â»Was tun sie eigentlich damit?«, frage ich.
    Die Schwester bereitet den Arm des nächsten Reisenden vor, sticht
die Nadel tief ein.
    Â»Eine kleine Gruppe von Forschern glaubt, dass man dem Sterben ein
Ende bereiten kann. Angeblich benötigen sie für ihre Heilmethode gesunde DNA .«
    Â»Tatsächlich?«
    Â»Sie behaupten es zumindest. Aber auf solche Sprüche gebe ich schon
lange nichts mehr. Nicht Reden, sondern Handeln ist jetzt gefragt.« Sie reicht
mein Blut an einen Helfer weiter. Die rote Flüssigkeit schwappt im Beutel hin
und her. »Hier – nehmen Sie auch einen Keks.«
    Alle vor mir in der Schlange halten einen Glückskeks fest. Wir sind
zu benommen, um ihn zu essen. Mein Verstand stolpert hinter meinem Körper her,
ein Kleinkind, das versucht, die große Welt der Erwachsenen zu begreifen.
    Nirgends ist eine Stewardess zu sehen, die uns mit eingeübter
Freundlichkeit an Bord geleitet. Stattdessen erwarten uns zwei bewaffnete
Soldaten. Es kann nicht lange her sein, seit ihre Mütter sie abends liebevoll
zu Bett brachten. Nun sind sie dazu abgerichtet, im Zweifelsfall zu töten. Die
Soldaten bleiben stumm, als ich mich an ihnen vorbeidränge und auf den
nächstbesten leeren Platz fallen lasse, aber ihre Blicke folgen mir kurz, ehe
sie wieder starr geradeaus blicken. Ich nehme den Sitz am Mittelgang, obwohl
der Fensterplatz frei ist. Ich will die Welt nicht von oben betrachten und so
tun, als ob alles normal wäre. Diese Art von Selbstbetrug führt nur in den
Wahnsinn. Am besten ist es, die Dinge zu nehmen wie sie sind, und sich
klarzumachen,

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