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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Theoretisch müssten sie leichter werden, je näher
Brindisi rückt, aber wie so oft klaffen Theorie und Praxis auseinander.
    Als ich mit Lisa darüber spreche, fragt sie: »Was erwartet dich denn
in Brindisi?«
    Â»Boote. Genauer, ein Boot. Die Elpis .«
    Â»Kann ich mitkommen?«
    An diesem Morgen war ihr Blick glasig gewesen, aber jetzt wirkt sie
klar und hellwach. Die mageren Brustknochen unter dem V-Ausschnitt ihres Shirts
wirken wie ein von Haut umspanntes Xylofon. Nun, ich selbst sehe nicht viel
anders aus, wenn ich meinen Regenmantel zurückschlage.
    Â»Wenn du willst.« Ich gestehe, dass ich mir bis jetzt keine Gedanken
darüber gemacht hatte, wohin sie ohne mich gehen sollte. »Ich rechne fest mit
dir.«
    Sie klatscht in die Hände. »Wohin fährt das Boot?«
    Â»Nach Griechenland.«
    Â»Und was willst du da?«
    Â»Leute treffen.«
    Sie verdaut das einen Moment. »Und wenn diese Leute nicht da sind?«
    Â»Sie werden da sein.«
    Â»Sie werden da sein«, wiederholt sie, aber ich glaube ihr nicht,
dass sie es auch so meint.
    ZEIT: DAMALS
    Bens Augen sind verquollen, und ein kleiner Tropfen hängt
ihm aus dem geröteten Nasenloch.
    Â»Hast du Stiffy gesehen?«
    Es ist 2 Uhr 53. Ich habe in den letzten fünf Stunden nichts außer
meinen verrückten Träumen gesehen. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren.
Wann bin ich seinem Liebling zuletzt begegnet? An dem Abend, als James mich
besuchte? Das war vor zwei, nein drei Tagen. Ist mir der Kater seither nochmals
begegnet?
    Â»Ist er verschwunden?«
    Blöde Frage. Natürlich ist er verschwunden, sonst würde Ben nicht
mitten in der Nacht bei mir aufschlagen. Aber ich bin einfach noch nicht
richtig wach.
    Ben wischt sich mit dem Handrücken über die Nase. Er wickelt den
mageren Oberkörper fester in die braune Strickjacke, die er nie auszuziehen
scheint. Er ist bleich, das sehe ich jetzt erst, und das kommt nicht nur vom
kalten Licht des Korridors.
    Â»Ja. Seit zwei Tagen. So lange ist er noch nie fortgeblieben.«
    Â»Stimmt. Er liebt sein Futter.«
    Â»Genau.«
    Ben tut mir leid; er hat doch niemanden außer Stiffy. »Ich werde die
Augen offen halten, okay? Wenn ich heimkomme, helfe ich dir bei der Suche.«
    Â»Ehrlich?«
    Ich beruhige ihn, so gut ich kann, aber als Ben endlich gegangen
ist, kann ich nicht mehr einschlafen. Heute ist Freitag. Der letzte Tag der
Arbeitswoche. Abends treffe ich Dr. Rose. Das heißt, dass es drei Tage her ist,
seit James mich besucht hat.

    Dampf steigt aus der Tasse in meinen Händen auf. Er ist ein
schimmernder Vorhang, der mich von Dr. Nick Rose trennt. Er beobachtet mich –
nicht die Frau, sondern die Klientin. Zwischen dem letzten Mal und heute hat er
einen Schalter umgelegt, und jetzt nehmen wir beide den Platz ein, an den wir
gehören. Ich bin froh darüber. Doch, ehrlich. Denn ich mag diese Freitagabende.
Ich möchte ihn auch die nächste Woche wieder treffen. Und die übernächste Woche.
    Â»Warum machst du das eigentlich?«
    Meine Gedanken lösen sich aus dem Kaffee. »Warum ich Böden putze?«
    Er nickt.
    Â»Würdest du mir glauben, wenn ich behaupte, dass ich gern mit den
Händen arbeite?«
    Sekunden verstreichen. Er antwortet nicht.
    Â»Als Sam starb, kam mir zu Bewusstsein, wie kurz das Leben sein
kann, und ich wollte nicht noch mehr Stunden verschwenden. Also nahm ich einen
Reinigungsjob an, der nicht schlecht bezahlt war, einigermaßen anständige Sozialleistungen
bot und keine allzu hohen geistigen Anforderungen stellte. So konnte ich in
aller Ruhe darüber nachdenken, wo ich studieren und was ich mal werden möchte,
wenn ich älter bin. Die Arbeit ist mal mehr und mal weniger schmutzig, aber
immer befriedigend. Ich sehe jedenfalls, was ich geleistet habe.«
    Â»Was möchtest du denn werden, wenn du … älter bist?«
    Â»Glücklich.«
    Â»Das würde ich gern sehen.«
    ZEIT: JETZT
    Â»Was ist mit deinen Freunden?«, fragt Lisa.
    Â»Tot.«
    Â»Meine auch.«
    Nach einer Weile …
    Â»Denkst du, dass sie jetzt besser dran sind?«
    Â»Manchmal.«
    Â»Warum?«
    Â»Weil nicht jeder das hier ertragen kann.«
    Â»Wir schon.«
    Â»Wir geben uns zumindest alle Mühe.«
    Â»Wie wird es wohl mit uns weitergehen?«
    Â»Keine Ahnung«, entgegne ich wahrheitsgemäß. »Was meinst du denn?«
    Sie zuckt

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