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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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dem Bauch, nicht weit von seinem besten Stück entfernt.
Unsere Körper machen, was sie wollen – manchmal ohne unsere Erlaubnis.
    Â»Also – bin ich verrückt?«
    Er atmet durch die Nase ein und lacht. »Hier.« Der Block fliegt über
den Tisch auf mich zu. Mein Inneres knistert vor Angst und Erregung.
    Milch.
    Toilettenpapier.
    Nach 19 Uhr Mom anrufen.
    Sportstudio-Mitgliedskarte verlängern.
    Orangen.
    Die Worte tropfen wie durch ein Filter in mein Gehirn.
    Â»Eine Einkaufsliste.«
    Â»Aufgeflogen. Ohne Liste vergesse ich die Hälfte der Dinge, die ich
erledigen muss. Aber ich flehe dich an – behalte mein Geheimnis für dich. Meine
Reputation steht auf dem Spiel.«
    Â»Du schreibst während unserer Sitzungen Einkaufslisten?«
    Â»Nicht nur während unserer. Und nicht nur Einkaufslisten. Manchmal
kritzle ich einfach so vor mich hin. Oder ich mache eine Stoffsammlung für ein
Forschungsprojekt, das mir seit meinen Collegetagen im Kopf herumspukt.«
    Â»Dann hörst du überhaupt nicht zu?«
    Â»Ich höre zu.« Langsam breitet sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus
und findet den Weg zu mir, aber es ist wie Sonnenschein an einem Wintertag und
vermag die wachsende Kälte in meinem Innern nicht aufzutauen. »Ich mache nur
keine Notizen. Das habe ich mit vielen Kollegen gemeinsam. Aber die meisten
Klienten fühlen sich besser, wenn wir mitschreiben.«
    Â»Das Gefäß gibt es wirklich«, stoße ich plötzlich hervor. »Es ist so
real wie dieser Sessel, in dem du sitzt.« Ich vergrabe mein Gesicht in den
Händen. »Es ist kein Traum. Es war nie ein Traum. Eines Tages tauchte es
plötzlich aus dem Nichts auf.«
    Meine Worte reißen ein Loch in unser harmonisches Verhältnis. Sein
Lächeln, seine Wärme, sein Verlangen verschwinden, als hätte er eine Jalousie
heruntergelassen. Zurück bleibt der distanzierte Psychologe.
    Â»Was soll das heißen?«
    Â»Es ist real.«
    Â»Es war nie ein Traum?«
    Â»Nein.«
    Tap, tap, tap. Stift auf Papier. Diesmal schreibt er keine Liste.
    Â»Das würde ich gern genauer wissen.«
    Ein frostiger Kokon des Schweigens hüllt uns ein. Ich kann nicht
sagen, ob nur ich diese Kälte spüre. Spürst du sie auch?, will ich fragen. Spürst du irgendwas? Aber
gerechterweise muss ich sagen, dass er weder die Natur noch das Ausmaß meiner
Lüge kennt.
    Ich erzähle ihm alles. Die Fakten. Die Gefühle, die der Krug bei mir
auslöst, kennt er bereits. Im Gegenzug mustert er mich mit einem so eisigen
Blick, dass ich trotz der Nachmittagssonne, die als heller Fleck in das
Sprechzimmer dringt, zu frieren beginne.
    Â»Warum jetzt?«
    Â»Es musste einfach heraus. Ich konnte es nicht mehr für mich behalten.«
    Â»Warum überhaupt diese Lüge?«
    Â»Ich wollte nicht, dass du mich für verrückt hältst, schon vergessen?
Oder, schlimmer noch, für dumm. Und dann verselbstständigte sich die Sache nach
dem Schneeballprinzip. Ich konnte das Geflecht nicht mehr entwirren.«
    Â»Ich war auf deiner Seite, Zoe.«
    War.
    Tap, tap, tap, peng. Er wirft den Stift auf den Notizblock, schiebt
ihn beiseite.
    Â»Ich weiß nicht, was ich für dich tun kann. Du hättest zur Polizei
anstatt zu einem Psychologen gehen sollen. Es sei denn, du bist eine notorische
Lügnerin. In diesem Fall kann ich dir einen Kollegen empfehlen.«
    Ich stehe auf, kerzengerade, mit straffen Schultern und hochgerecktem
Kinn, klemme meine Handtasche unter den Arm und wende mich zum Gehen.
    Â»Nicht nötig. Danke für die Aufmerksamkeit, die Sie mir gewidmet
haben, Dr. Rose.«
    Ich stürme den Flur entlang und habe den Aufzug fast erreicht, als
mir einfällt, dass ich vergessen habe, ihn zu bezahlen. Während ich hastig
einen Scheck schreibe, versuche ich zu verdrängen, dass unsere gemeinsame Zeit
vorbei ist und dass ich selbst die Schuld daran trage.
    Als ich in seine Praxis zurückschleiche, sitzt er immer noch mit
gefurchter Stirn in seinem Sessel. Er schaut mich nicht an, als ich
hereinkomme. Er sieht mich nicht an, als ich vor ihm stehe. Und er schaut mich
nicht an, als ich ihm den Scheck entgegenstrecke und dann zu Boden flattern
lasse.
    Er blickt mich erst an, als ich ihn mit beiden Händen am Hemdkragen
packe und ihn küsse, als wäre es mein Tod, wenn ich es nicht täte.
    Und er blickt mir nach, als ich wortlos gehe. Zumindest

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