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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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den Beinen halten.
    Das Weiße Pferd tötet eine seiner Geiseln. Ein Krampf schüttelt den
Körper der Frau. Ihre sterbenden Finger wirbeln das Stroh auf. Eine zweite Frau
robbt an ihre Seite, zieht sie an sich, glättet ihr mit einer entstellten Hand
das wirre Haar und wiegt sie in den Armen, bis der Tod mit seiner Beute davonreitet.
    Â»Jetzt!«
    Einen Moment lang hängt Lisa an der Balkenkante, bis die Schwerkraft
sich in ihrem Hemd verhakt und sie nach unten zieht. Sie fällt wie ein Stein
hinunter.
    Ich breche unter ihrem Gewicht zusammen, richte mich aber sofort
wieder auf. Mein Überlebenswille ist unser Katapult. Ich schiebe sie vor mir
her, zwänge sie durch den Torspalt ins Licht und folge ihr dicht auf den
Fersen.
    Es ist das immer noch menschliche Schluchzen, das mich erschüttert.
Die Welt ist voller Tränen. Diese hier sollten nicht mehr als ein paar Tropfen
in einem ohnehin überschwappenden Eimer sein. Ich müsste immun gegen diese
Gefühle sein. Aber noch habe ich ein Herz.
    Ich schmecke ihr Leid, als ich mir auf die Lippen beiße und Salz mit
einem Hauch von Winter spüre.
    Der Schweizer verkrallt sich in meiner Bluse und zerrt mich von der
Scheune weg.
    Â»Stell dich nicht so an!«, sagt er. Er verschließt schweigend das
Tor. Lisa beginnt zu schluchzen. Ich folge ihrem Beispiel.
    Â»Sie sind immer noch Menschen.«
    Â»Längst nicht mehr«, widerspricht er. »Eine unnatürliche Zuchtwahl –
durch eine Seuche, die wir in die Welt getragen haben.«
    Ich frage nicht nach, was oder wie viel er über den Ursprung der
Seuche weiß. Nicht jetzt. Im Moment möchte ich mich erst mal um Lisa kümmern
und sehen, ob wir unseren Weg fortsetzen können.
    Wir beide gehen bis zu dem Baum, wo ich meinen Rucksack abgestellt
habe. Rötliche Rinnsale, mehr Regen als Blut, laufen über ihre kindlich zarten
Wangen und tropfen ihr vom Kinn. Die Schnitte und Risse am Kopf sehen eher
harmlos aus, obwohl man nie weiß, wie tief so eine Wunde geht.
    Â»Beeilt euch«, sagt der Schweizer. Er hat sich lautlos herangeschlichen.
»Das Tor ist verrammelt, aber vielleicht finden sie einen anderen Fluchtweg.«
Er deutet mit dem Kinn auf Lisa. »Sie wird sich erholen.«
    Â»Bist du Arzt?«
    Â»Ja.« Er hebt ihr Kinn an. »Wie gesagt, das verheilt bald.«
    So fürsorglich habe ich ihn noch nicht erlebt. Er scheint auf eine
bestimmte Weise gut zu sein. Aber doch unberechenbar.
    Â»Bist du okay?«, frage ich Lisa.
    Lisas Nicken geht in ein Zittern über.
    Â»Wie bist du in ihre Hände geraten?«
    Wieder dieses Zittern.
    Â»Sie hat ein Auge verloren.« Er schiebt ihr Lid hoch. Anstatt des
hellen Augapfels mit der schönen graugrünen Iris kommt eine blutende Höhle zum
Vorschein.
    Â»Lisa, wie ist das passiert?«
    Sie weicht vor den Händen des Schweizers zurück. Ihre Finger rollen
sich wie welke Blätter zusammen. Sie sind tränennass. »Ich weiß es nicht«,
murmelt sie. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.« Die Schultern unter dem
verschlissenen Baumwoll-Shirt beben.
    Der Schweizer vermutet: »Sie hat sich das selbst angetan.«
    Ich erhebe mich, schultere den Rucksack und helfe Lisa auf die
Beine. Ich muss sie mit Essen versorgen, gründlich waschen und dann von hier
wegbringen, bevor den Mutanten der Ausbruch aus der Scheune gelingt.
    Â»Herrgott, warum bist du so gestört?«, fauche ich ihn an.
    Â»Die Kleine ist blind.«
    Â»Das war sie von Geburt an.«
    Â»Und doch läuft sie hier unbeaufsichtigt herum. Ballast, der dich
nur schwächt.« Er macht eine Pause. »Du solltest niemandem trauen. Nicht einmal
ihr.«
    Â»Sei still!«, sage ich. »Einfach still!« Aber er hat ein Samenkorn
gepflanzt, das in meinem Gehirn Wurzeln schlägt und keimt.
    ZEIT: DAMALS
    Â»Hast du schon einen Blick in das Gefäß geworfen, Zoe?«
    Â»Nein. Ich weiß, dass mir das noch bevorsteht.«
    Die Stimme von Dr. Rose gibt mir Selbstvertrauen und innere Ruhe.
    Â»Wenn du vorankommen willst, musst du diesen Schritt tun.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Und ich weiß, dass du es weißt.« Unsere Lächeln treffen sich mitten
im Raum, eine Berührung, die unseren Körpern versagt bleibt.
    Als ich mein Apartment erreiche, hat sich mein Mut verflüchtigt und
der Angst wieder ihren Platz eingeräumt.
    ZEIT: JETZT
    Â»Er wird die Scheune in die Luft

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