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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Morgendämmerung wird sie zu Asche zerfallen, und
bald darauf werden wir weiterziehen.
    Einzig mein Gehör durchforstet die Laute der Nacht und sucht nach
der Anomalie.
    Dunkelheit ist lauter als Licht. Unter der Maske der Nacht entblößt
sich die Natur. Da ist das verstohlene Gleiten und Schleichen von Geschöpfen,
die ihren natürlichen Feinden zu entwischen versuchen. Raubtiere sind weniger
vorsichtig. Sie schlagen mit den Schwingen und ziehen ihre Kreise, bis sie das
geeignete Fleisch erspäht haben. Dann stoßen sie nach unten und zerren ihre
Beute mit in die Lüfte. Es gibt die Verzweiflungs- und Todesschreie der Opfer.
Da ist aber auch das Zirpen und Klicken, das von Paarungsbereitschaft und Paarungsfieber
kündet. Und das melodische Gluckern von Wasser, das sich seinen Weg durch das
Land windet, fort von der Quelle oder zurück zu seinem Ursprung.
    Aber auch ohne diese Dinge hat die Dunkelheit ihre eigene Sprache,
die mit Stille ebenso wenig zu tun hat wie der Raum mit Leere. Das ist eine
Illusion, die uns alle narrt, bis wir genau hinhorchen.
    Mein Geist driftet weiter, bis er dieses Geräusch erfasst, das nicht
hierhergehört. Ein leises Wimmern, gefolgt von einem Wispern. Ein Schluchzen?
So ähnlich klingt es jedenfalls. Atemzüge, unterbrochen von einem kurzen
Stoßen.
    Ich setze mich langsam auf, spanne den Körper an, falls ich schnell
aufspringen muss. Drücke mich vom Boden ab, bis ich aufrecht stehe.
    Ich bin allein. Lisa und der Schweizer haben die Feuerstelle
verlassen. Aber gleich darauf sehe ich sie im Schein der Sterne. Und ich
entdecke den Ursprung der seltsamen Geräusche.
    Obwohl er mit dem Rücken zu mir steht, weiß ich sofort, was
geschieht. Ich bin bei ihr. Ich bin sie. Lisa kniet vor dem Schweizer und
vollführt einen untertänigen Akt. Ich habe mitbekommen, wie sehr sie ihn
verehrt und bewundert. Sie betet ihren Peiniger als Erlöser an. Er weiß, dass
ich da bin. Er weiß es immer. Er lacht über mein Entsetzen.
    Â»Schau nur zu, wenn es dich anmacht!«
    Â»Verdammtes Schwein«, zische ich. Beim Klang meiner Stimme löst sich
das Mädchen von ihm. Lisa fällt nach vorn, stützt sich mit beiden Händen im
Gras ab und übergibt sich. Sie kriecht rückwärts in die Büsche, bis sie nur
noch ein schwacher Umriss ist, der Schwall um Schwall erbricht.
    Â»Sie ist krank.«
    Â»Morgenübelkeit.« Er zieht den Reißverschluss hoch und schiebt die
Pistole in den Hosenbund wie ein Westernheld.
    Â»Woher weißt du, dass sie nicht White Horse erwischt hat?«, frage
ich. »Und nun auch dich?«
    Â»Das ist nicht White Horse. Sie hatte ungeschützten Verkehr. Erst
kürzlich.« Sein Blick ist kühl und eine Spur triumphierend. »Sie hat es mir
selbst erzählt. Ungefragt. In ein paar Monaten ist alles vorbei. Und glaub ja
nicht, dass ich der Vater bin. Ich bin es nicht.« Das klingt prahlerisch, als
hüte er ein wichtiges Geheimnis.
    Ich weiß, dass du es nicht bist. Aber
diesen Gedanken behalte ich für mich. Mein Instinkt rät mir, dass es besser
ist, wenn ich schweige.
    Â»Es könnte dennoch White Horse sein.«
    Â»Sie hat mir ihre Brüste gezeigt. Sie sehen aus wie Straßenkarten.
Hast du dich in letzter Zeit betrachtet? Treten die Adern nicht deutlicher
hervor? Sind deine Brüste nicht voller, während der Rest deines Körpers
schlaffer und mit jedem Tag dünner wird?« Er tritt dicht vor mich hin, die
Lippen zu einem höhnischen Grinsen gekräuselt. »Ihr könnt eure Bälger gemeinsam
aufziehen. Bastarde!«
    Er kann nicht wissen, wer der Vater von Lisas Kind ist. Nie und
nimmer. Denn hinter seinen Augen, jenseits der kalten Kruste, die ihm als
Schutzschicht dient, sind ein paar Scharniere kaputt. Es lässt sich nur schwer
abschätzen, in welche Richtung sein Verstand ausschwingen wird.
    Â»Du bist nur bei uns, weil wir zu dritt sicherer sind als zu zweit«,
sage ich.
    Â»Ich bin bei euch, weil ich es so beschlossen habe – ob es dir und
der kleinen Hure passt oder nicht.«
    Â»Glaub, was du willst!«
    Â»Ohne mich würdest du nicht lange überleben. Denk nur an deine dumme
Freundin, die um ein Haar diesen Monstern zum Opfer gefallen wäre.«
    Lisa Schultern heben und senken sich. Nicht White Horse. Nicht
sterbenskrank. Schwanger. Genau wie ich. Ich weiß, dass der Schweizer recht
hat. Wieder einmal war ich zu sehr damit

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