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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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beschäftigt, nach dem Tod Ausschau zu
halten, um die Zeichen neuen Lebens zu erkennen. Erleichterung mischt sich mit
Angst und gerinnt zu einer Masse, die sich nicht mehr trennen lässt.
    Was sind wir nur für Gefährten!

    Der Maschendrahtzaun trägt eine Stachelkrone, eine Tiara,
weggeworfen von einer verblühten Schönheitskönigin. Weder Alter noch Bedauern
konnten ihr die Würde nehmen: Es gab einmal eine Zeit, da sie etwas bedeutete.
    Wir stehen an der Straße und beobachten, wie sie vor sich hin
rostet. Nach einem perfekten Tag ist der Regen wiedergekommen, rachsüchtiger
denn je.
    Â»Ich gehe da hinein«, sagt der Schweizer. Von unserer Straße zweigt
eine dünne Ader ab, die in weiter Ferne zum Eingang des Gebäudes führt.
    Ich wende mich zum Gehen. »Wir haben keine Zeit für einen Umweg. Die
Gegend ist vollkommen eben. Das Gebäude könnte Meilen entfernt sein.«
    Â»In Amerika vielleicht, aber nicht hier. Italien besteht aus
Bergen.« Er bewegt den Arm in einer ausladenden Geste. »In Italien gibt keine
endlosen Weiten.«
    Also bleibe ich stehen und setze mich auf den Asphalt. Ringsum hat
der Regen flache Pfützen gebildet.
    Â»Gut«, sage ich. »Aber wenn du in einer Stunde nicht zurück bist,
breche ich auf.«
    Â»Was ist das für ein Gebäude?«, erkundigt sich Lisa.
    Â»Sieht ganz nach einer militärischen Einrichtung aus«, entgegne ich.
    Â»Stimmt das?«, fragt sie den Schweizer.
    Keine Antwort. Breitbeinig und mit verschränkten Armen steht er da,
als wollte er den Zaun herausfordern, näher zu kommen, oder – was ich für
wahrscheinlicher halte – als suchte er nach einer absolut ätzenden Beleidigung,
die er mir an den Kopf werfen könnte.
    Â»Bleib oder geh – das ist mir egal«, sagt er schließlich.
    Lisa spannt sich so stark an, dass sie zu zittern beginnt. Sie muss
einen Entschluss fassen. Bleib oder geh. Ich oder er. Sie erwartet ein Kind und
wird bald gezwungen sein, Entscheidungen von weit größerer Tragweite zu
treffen. Die hier ist einfach, und ich kann und will sie ihr nicht abnehmen.
Fragen zeichnen sich auf ihren Zügen ab, verschwinden, entstehen neu. Sie ist ein
verzweifeltes Kaleidoskop auf der Suche nach einem Muster, das zugleich ihre
Fragen stellt und Trost spendende Antworten gibt.
    Bleib. Lisa entschließt sich zum Bleiben. Also warten wir gemeinsam,
und ich starre dem Schweizer nach, dessen Gestalt bald nur noch ein kleiner
Punkt ist und weiterschrumpft, je weiter er sich von uns entfernt.
    Â»Ich bin nicht schwanger. Auf keinen Fall.«
    Â»Wenn du es doch bist, kann das zumindest das Erbrechen erklären.«
    Â»Ich habe White Horse. Ich werde sterben.«
    Â»Das glaube ich nicht.«
    Â»Ich schon.«
    Â»Hast du verhütet?«
    Â»Ich werde sterben. Ganz bestimmt.«
    Â»Er sagt, dass du schwanger bist. Du glaubst ihm doch sonst immer,
oder?« Das ist notwendig. Leugnen würde nur Schaden anrichten.
    Sie starrt auf mich herunter.
    Â»Ich wollte erst auch nicht glauben, dass ich ein Kind erwarte.
Mitten im Krieg. Die halbe Menschheit tot. Die Welt, die ich kannte, ein
Trümmerhaufen. Und da habe ich den Nerv, neues Leben zu schaffen. Das ist, als
würde sich jemand zu bald nach dem Tod seines alten Hundes einen kleinen Welpen
ins Haus holen.«
    Â»Bist du glücklich?«
    Glücklich? Was heißt das überhaupt? Ich kann mich nicht genau
erinnern, aber ich glaube, es hat irgendwas mit Eistüten am Strand zu tun, die
man ganz schnell leer schleckt, bevor die in Nuss und Schokolade getauchte
Spitze schmilzt und dir über die Finger rinnt. Wenn das erst mal passiert,
kannst du die Hände waschen, so viel zu willst – du kriegst das klebrige Gefühl
nicht mehr ab. Aber du lächelst, weil dich der Eisgeschmack auf der Zunge daran
erinnert, dass Glück mit einer nassen Metallkelle in eine süße, pappige Waffel
gepresst wird.
    Aber bin ich glücklich, weil ich ein Kind erwarte? Ich streiche mit
einer Hand über meinen Bauch. Er ist nur ein Schatten meiner Rundungen vor der
Apokalypse, aber ich spüre doch eine kleine Wölbung, fast so, als hätte ich zu
viel gegessen.
    Bin ich glücklich? Das Wort geistert mit einem fremden Klang durch
meinen Kopf. Momentan bin ich vor allem verängstigt. Gepeinigt von dem
Gedanken, dass ich vielleicht nicht in der Lage sein werde, mein Kind vor den
Monstern zu

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