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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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    Vor der Menschheit, nach der Menschheit, die Landschaft
kennt keinen Unterschied. Sie erblüht in voller Schönheit, solange sie den
Fortschritt in Schach halten kann, was vermutlich für immer der Fall sein wird.
Wir verschlingen Berge von Trauben, aus denen bis vor Kurzem teure Weine
hergestellt wurden, und nehmen noch mehr davon für unterwegs mit.
    Wir rasten, aber nicht lange. Die Zeit wird knapp. Manchmal überlege
ich, warum der Schweizer so erpicht darauf ist, uns zu begleiten. Ich sollte
ihn fragen, doch ich tue es nicht. Sein Wahnsinn ist geprägt von Kälte und
Schweigen. Ich weiß, dass er skrupellos töten würde, aber nicht, um uns zu
retten, sondern um Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Es ist am besten, wenn er
bei uns bleibt, nicht unbedingt auf unserer Seite, aber wenigstens nicht unser
Gegner. Damit ich ihn beobachten kann.
    Er benutzt Lisa inzwischen, wie es ihm gefällt. Die üppigen
Obstplantagen haben es ihm besonders angetan. Oft macht er eine Pause und führt
sie in den Schatten der Bäume. Das Aroma überreifer Früchte ist der Geruch
seiner Lust; ihr süßlicher Duft dreht mir den Magen um. Lisa macht gern oder
zumindest fügsam mit. Wenn sie zu ihm geht, drückt ihre Miene Triumph und
Verwirrung zugleich aus. Dass er Sex mit ihr haben will, erregt sie, aber sie
begreift nicht, was er an ihr findet. Sie ist danach immer sehr in sich
gekehrt, und ich weiß, was sie sich fragt: Ist das Liebe? Wenn wir rasten, lässt sie den Kopf hängen.
    Ich verurteile sie nicht. Sie ist noch jung.
    Â»Willst du zugucken?«, fragt er.
    Â»Arschloch!«
    Ich muss verdorbenes Fleisch nicht kosten, um zu wissen, dass es
ungenießbar ist.

    Â»Glaubst du, dass das stimmt?«, fragt Lisa.
    Â»Dass was stimmt?«
    Â»Wächst ein Monster in mir heran? Oder in dir?«
    Â»Nein, das glaube ich nicht.«
    Â»Aber du weißt es nicht mit Sicherheit.«
    Â»Nein.«
    Â»Ich will kein Kind zur Welt bringen.« Lisa starrt mit ihrem einen
blinden Auge geradeaus. »Und schon gar kein Monster.«
    ZEIT: DAMALS
    Die Schatten in meinem Apartment ergeben keinen Sinn. Sie
scheinen da zu lauern, wo es ihnen passt, anstatt den Gesetzen der Physik zu
folgen. Ich könnte den Raum heller beleuchten, um sie zu vertreiben, aber das
mache ich nicht, weil ich irgendwie davon überzeugt bin, dass sie sich an die
Wände klammern und nicht loslassen würden. Und weil ein Teil meines Ichs gar
nicht wissen will, was sie verhüllen.
    Ich ziehe mich nicht in die Schatten zurück, sondern nehme mitten in
der Küche Platz, um meinen Anruf zu tätigen. Von hier aus kann ich die
Eingangstür und das Gefäß sehen. Von hier aus kann ich sie verschwinden lassen,
wenn ich den Kopf ein wenig nach links drehe.
    Am anderen Ende der Leitung hebt niemand ab. Meine Hoffnung
schwindet mit jedem Klingeln. Dann schaltet sich die Voicemail ein, und ich
höre eine Botschaft von Dr. Rose, der aus der Vergangenheit zu mir spricht.
    Irgendwie bin ich dann doch froh, dass er nicht selbst am Apparat
ist. Es ist leichter, mit einem Computer zu sprechen, der meine Worte in eine
Sounddatei umwandelt und irgendwo auf einem Server speichert, im Mittelwesten
vielleicht oder in Indien. Auf diese Weise muss er mir nicht zuhören und kann
doch hören, was ich zu sagen habe.
    Â»Hi, ich bin es. Zoe. Zoe Marshall.« Die Worte wollen mir nicht so
recht von der Zunge. Sie scheinen sich bewusst zu sein, wie abgedroschen sie
klingen. »Du bist der Einzige, den ich anrufen kann. Meine Leute würden denken,
ich hätte sie nicht mehr alle, und meine zwei besten Freunde sind tot. Mit
anderen Worten, sie wären jetzt tolle Zuhörer, können mir aber nicht wirklich
helfen. Deshalb wende ich mich an dich. Weil Zuhören und Helfen deine Sache
ist, oder nicht?«
    Ich ziehe die Knie bis an die Brust und stütze das Kinn auf.
    Â»Ich glaube … ich glaube, dass dieser Krug Unglück bringt. Dass er
womöglich sogar Menschen umbringt. Ich weiß, dass du mir geraten hast, ihn
endlich aufzumachen, aber das kann ich nicht. Das ist wie diese Geschichte mit
der Büchse der Pandora. Was ist, wenn ich das Ding öffne und tatsächlich irgendwelche … Plagen entweichen? Was ist, wenn dabei die ganze Welt zum Teufel geht? In meiner
Umgebung sterben immer mehr Menschen. Das ist nicht normal. Ich will weder
Pandora sein noch Typhoid Mary, diese

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