Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
klang so offensichtlich erleichtert, dass der kleine Mann mit der beginnenden Halbglatze sich sofort umdrehte.
„Suchen Sie mich?“, fragte er mit leicht französischem Akzent und sichtlich bemüht, alle Anwesenden gleichzeitig anzusehen.
Ich biss mir auf die Lippen. Anni liebte Französisch. Und Franzosen, sie hatte die besten Erinnerungen daran. Zwei, um genau zu sein, vor Kurzem acht Jahre alt geworden.
„Ich suche meine Tochter“, versuchte ich es noch einmal. „Der Notarzt wollte sie hierher bringen, es kann noch nicht lange her sein.“
„Was fehlt ihr denn?“, fragte der Arzt freundlich zurück. „Sie sind hier nämlich auf der Wöchnerinnen-Station, wissen Sie.“
„Ja, das ist uns bekannt“, knurrte Falk. Sollte auch er Nerven haben?
„Svenja bekommt ein Baby, obwohl sie selbst erst fünfzehn Jahre alt ist“, erklärte ich. „Und nun hat man uns auf vielen Umwegen hierher geschickt, um sie zu finden.“
Der freundliche, dicke Franzose lächelte so herzlich, dass ich nicht anders konnte als zurückzustrahlen. Was für ein gewinnendes Gesicht!
„Ach, dann sind Sie also die Blitzoma!“
Blitzoma? Na danke, das hatte gerade noch gefehlt! Steif wie ein Spazierstock stand ich im Flur und wusste nicht, wohin mit meinen Händen.
„Wieso Blitzoma?“
„Ach, Sie wissen es noch gar nicht?“ Jetzt strahlte er über das ganze Mondgesicht, griff erst meine und dann Falks Hand und schüttelte sie kräftig. „Sie sind soeben Großeltern eines zarten Mädchens von 2700 Gramm geworden. Herzlichen Glückwunsch, Madame Becker, herzlichen Glückwunsch, Monsieur Becker! Folgen Sie mir bitte, es ist nicht mehr weit.“
Ich sah Falk an und wusste nicht, worüber ich zuerst in Tränen ausbrechen sollte: Darüber, dass wir als glückliche Familie angesehen wurden, oder dass Svenja ihr Baby ohne mich zur Welt gebracht hatte. Nichts mit Händchen halten während der Wehen und Nabelschnur durchschneiden durch die Oma und so? Und wieso eigentlich Oma?
Um mich herum begann die Welt sich zu drehen. Ich hörte aus weiter Ferne, wie der nette Franzose mit dem drolligen Akzent mich etwas fragte, dann sackte ich zusammen wie ein Sack Kartoffeln.
Als ich wieder zu mir kam, schnitt sich ein beißender Geruch von der Nase aus direkt ins Gehirn.
„Puh!“, schimpfte ich und versuchte, die Hand von meinem Gesicht zu schieben. „Das ist ja ekelig!“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es wirkt“, sagte eine nette Stimme und ich überlegte, woher sie mir bekannt vorkam.
„Aber dass es so schnell geht – unglaublich!“ Das war Falk! Ich öffnete die Augen. Da saßen sie, aufgereiht wie die Hühner auf der Stange Erst Falk, mit seinen 1,96 Metern eindeutig der Größte, daneben die Schwesternschülerin, die den knubbeligen Franzosen zu ihrer Linken noch immer um einige Zentimeter überragte, und dann der Gynäkologe selbst. Mit einem Riechfläschchen in der Hand.
„Nehmen Sie das sofort weg“, schimpfte ich. „Das ist ja widerlich!“
Falk grinste, sagte aber nichts. Der Arzt half mir, mich aufzusetzen – auf der Trage, auf die man mich gehievt hatte, nicht ganz unproblematisch. Die Schwesternschülerin reichte mir ein Glas Wasser und einen kleinen Plastikbecher, nicht größer als ein Schnapsglas, mit einigen Tropfen klarer Flüssigkeit.
„Trinken Sie das“, sagte sie freundlich. „Hilft gegen Kreislaufprobleme.“
„Ich habe keine Kreislaufprobleme“, protestierte ich. „Ich habe gerade ein Enkelkind bekommen, mit 35! Da darf man auch mal wackelig werden, oder?“ Trotzdem nahm ich die Tropfen, schüttelte mich und spülte den bitteren Geschmack mit dem Wasser aus dem Glas weg. „Könnte ich davon welche auf Vorrat haben?“
Der Arzt schüttelte bedauernd den Kopf.
„Oder wenigstens so ein Riechfläschchen?“ Falk grinste frech.
Der nette Franzose blieb bei seinem Nein und steckte mir stattdessen die Hand entgegen: „Entschuldigen Sie bitte, Madame Becker, aber ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, mich richtig vorzustellen. Mein Name ist Philippe Pegris, diensthabender Gynäkologe. Ihre Tochter Svenja hat das großartig gemacht, besser hätte es gar nicht sein können. Sobald Sie sich wieder gut genug fühlen, bringe ich Sie zu ihr.“
Nun hielt mich natürlich nichts mehr auf der Trage und ich kletterte, noch ein wenig wackelig aber ohne fremde Hilfe, herunter.
Dr. Pegris winkte uns, ihm zu folgen. Vorsichtshalber griff ich nach Falks Hand – zum einen fühlte ich mich immer
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