Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
ich einen von diesen Tests aus der Apotheke gemacht. Statt meine Handykarte aufzuladen, du weißt schon.“ Sie wurde wieder rot. „Ich dachte, vielleicht könnte ich es irgendwo heimlich auf die Welt bringen und dann zur Adoption freigeben, ehrlich! Deshalb wollte ich ja auch keinen Nebenjob annehmen, zumindest nicht bis alles vorbei ist.“
„Ach, Svenja!“ Was kann man seinem Kind schon sagen? „Mach dir keinen Kopf darüber, das wird schon werden; wo wir zwei zurechtkommen, bleibt auch für einen dritten noch genug übrig. Und zur Not ist Lotta ja da, die hat nach deiner Geburt auch geholfen.“
„Jaaa“, gab Svenja gedehnt zu. „Aber die hat so ihre eigenen Pläne, glaube ich.“
„Ach was, auf Lotta ist Verlass. Viel älter als du war ich übrigens auch nicht, als ich schwanger wurde. Wenigstens habe ich die zwanzig noch geschafft“, ergänzte ich in Erinnerung an Falks Anspielungen.
„Naja, gerade so.“
„Damals ist Lotta sang- und klanglos eingesprungen. Sie hat ihren Job hier gekündigt, das Haus vermietet und ist zu uns beiden nach Berlin gekommen, weil Robert es mit der Angst zu tun bekommen hatte.“ Wie einfach die Wahrheit auf einmal war. „Sie suchte sich einen Job in einem Kinderheim und kümmerte sich um dich, wenn ich Seminare besuchte, bis ich nach einem Jahr ein Einsehen hatte und zurück nach Mülheim kam. Seitdem ist Lotta ein festerer Bestandteil unserer Familie als dein Vater.“
„Wird Robert jemals ein richtiger Schauspieler werden, Mama?“
„Du meinst einer von denen, die man im Fernsehen sieht und auf die man stolz sein kann?“
Svenja nickte. „Und der endlich mal zahlt.“
„Ich fürchte nein. Aber Geld ist nicht alles, Svenja. Robert ist trotz seiner Unzuverlässigkeit eigentlich ein guter Kerl.“
„Sonst hättest du dich wohl nicht in ihn verliebt, oder?“
Ich glättete die Bettdecke und strich ihr über die bleichen Wangen. „Mach dir keine Gedanken und schlaf, solange du noch kannst. Ich gebe überall Bescheid, dann hast du morgen das Zimmer voller Besuch. Jetzt brauche ich einen Kaffee, dann fahre ich nach Hause und pack dir ein paar Sachen zusammen.“ Ich deutete auf das rückenlose Flügelhemdchen, das man Svenja während der Entbindung umgebunden hatte. „Das hier wird dir auf Dauer nicht reichen, oder?“
Sie lächelte und sank zurück in die Kissen. „Bis nachher, Mama.“
Ich dachte schon, sie sei eingeschlafen, und wollte auf Zehenspitzen herausschleichen, als Svenjas Stimme mich noch einmal aufhielt:
„Blitzoma – das ist lustig.“
Nach einer ausgiebigen Kaffeepause im Klinikrestaurant und einer schweigsamen Rückfahrt setzte ich mich mit dem letzten Weihnachts-Piccolo an den Küchentisch und ließ die Ereignisse Revue passieren.
Da war zuerst diese unglaubliche Fahrt nach Frankfurt und der Flirt mit Andrea Calotti, dem Jeansgott aus der PEPITA-Redaktion, der nach wie vor glaubte, mit Dr. Thea von Grünberg eine studierte und belesene Frau von Welt für seine Zeitschrift gewonnen zu haben. Dann die Rückkehr nach Essen, Svenjas Verschwinden und Lottas starke Art …
Lotta! Siedend heiß fiel mir ein, dass die ja noch immer auf Nachricht wartete. Falk hatte ihr zwar eine kurze SMS geschickt, dass es Svenja soweit gut ginge, aber von dem unerwarteten Kindersegen wusste sie nichts.
Ich brauchte drei Anläufe, um ihre Nummer einzugeben. Zum Glück meldete sich am anderen Ende nur der Anrufbeantworter, so musste ich nicht gleich mit allen Details aufwarten. „Hallo Lotta“, antwortete ich dem Gerät daher betont fröhlich und legte gleich wieder eine Pause ein. Wie soll man der eigenen Mutter beibringen, dass sie soeben Ur-Großmutter geworden war? Mit 54 Jahren? „Svenja ist wohlauf, aber den Umständen entsprechend sehr müde.“
Feigling!
Ich holte tief Luft, drückte den schmerzenden Rücken durch und blubberte eine Spur zu fröhlich in den Hörer: „Du bist übrigens gerade befördert worden. Was sage ich, wir sind alle befördert worden: Ich zur Oma, Robert zum Opa, und Du mit 54 zur jüngsten Urgroßmutter, die ich kenne. Herzlichen Glückwunsch!“
Bei der Vorstellung, wie Lottas Gesicht an dieser Stelle aus den Fugen geraten würde, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Trink einen für mich mit, hörst du? Ich muss jetzt noch mal ins Krankenhaus und schau später bei dir rein. Kann aber auch morgen werden, also warte nicht.“
So, das wäre geschafft. Ein bisschen unsensibel vielleicht, aber was will
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