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Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Titel: Wickelblues & Wimperntusche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Wolff
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Kragen.
    Apropos Chefredakteur – mein Herz flatterte kurz. Andrea durfte nie davon erfahren, niemals! Schon die Erinnerung an seine grünen Augen und die tiefe Stimme zauberte zarte Röte auf mein Gesicht.
    Thea würde eine schwere Rolle werden, vielleicht die schwerste meines Lebens. Vielleicht hatte Robert damals ja recht gehabt, als er sein ganzes Leben zu einem Theaterstück erklärte und sich aussuchen wollte, welche Rolle er übernahm und welche nicht. Die als Eltern zum Beispiel. Oder als Großeltern.
    Ich schleppte mich in die Küche und setzte Teewasser auf. Blaues Blinklicht erhellte den dämmerigen Raum, das Handy zeigte Nachrichten und verpasste Anrufe an. In banger Erwartung ließ ich mir Zeit, das karge Schonkost-Frühstück aus Tee, Frischkäse und Knäckebrot fertig anzurichten, ehe ich sie abrief. 27 verpasste Anrufe, die meisten von Sascha und Lotta. Was meine Mutter wohl abgehalten hatte, unangekündigt die Wohnung zu stürmen und mich zu verhören?
    Ich trank meinen Tee und genoss das wohlig-warme Gefühl im Magen, als der gerade beschworene Schlüssel Lottas Ankunft verriet. Halb acht schon, um diese Zeit hätte sie längst im Kindergarten sein müssen, stattdessen rauschte sie durch meinen Flur und tauchte leicht zerzaust in der Küche auf.
    „Hättest dich ja mal melden können. Wo ist die Kleine?“
    „Welche meinst du?“
    „Ein Mädchen also.“
    „Hatte ich das nicht gesagt?“
    „Nein, hast du nicht. Um genauer zu sein, du hast überhaupt nichts gesagt. Wenn Falk nicht wenigstens eine Mail geschickt hätte, wäre ich jetzt halb verrückt vor Sorge, weil du dich nicht gemeldet hast.“ Sie setzte sich, nahm ebenfalls eine Tasse Tee und leerte etwas aus der mitgebrachten kleinen Flasche dazu. „Du auch?“
    „Nein Danke, Alkohol am frühen Morgen sollte eine Ausnahme bleiben. Deine Worte!“
    „Wenn plötzlicher Urenkelsegen keine Ausnahme ist ...“ Fröhlich prostete sie mir zu und nahm einen großen Schluck. „Außerdem fällt das unter Medizin. Solltest du auch probieren, dann siehst du nicht mehr aus wie hingespuckt. Und nun erzähl.“
    Ich erzählte. Alles, was mir in den Sinn kam und nicht immer in chronologischer Reihenfolge, trotzdem unterbrach Lotta mich nicht. Stattdessen kramte sie ein in Geschenkpapier verpacktes Bündel aus dem Rucksack und legte es vor mich auf den Tisch.
    „Was ist das?“
    „Erstlingskleidung, noch von Svenja. Ich habe es damals nicht übers Herz gebracht, sie wegzugeben.“
    Ich öffnete das Paket und staunte über all die Strampler, Mützchen und Hemdchen aus Svenjas Babyzeit. War es wirklich schon so lange her, dass die Hebamme mir das winzige Bündel in die Arme gelegt und herzlich gratuliert hatte? Eine Welle von Erinnerungen vertrieb den Schmerz in der Magengegend. „Aber die sind 15 Jahre alt!“
    „Papperlapapp.“ Lotta griff nach einem strahlend weißen Flügelhemdchen und knotete die Bänder am winzigen Halsausschnitt zusammen. „Baby bleibt Baby, und die Sachen werden ja nicht schlecht, nur weil eine Weile lang niemand reinpupst. Du weißt doch, wie schnell sie da raus wachsen, manche Teile tragen sie nur drei oder vier Mal, wenn überhaupt.“ Entschlossen packte sie die Sachen wieder zusammen. „Ich habe alles gestern noch gewaschen und in den Trockner gesteckt, du kannst sie also gleich mitnehmen. Hast du schon eine Spieluhr?“
    „Ja.“ Ergeben ließ ich die Hände auf den Küchentisch sinken. „Sie spielt La-le-lu, das hat mir gefallen.“
    „Kein Wunder, war ja auch deine Einschlafmusik.“
    „Echt? Kann ich mich gar nicht dran erinnern.“
    „Würde mich auch wundern.“ Ungerührt stellte Lotta das Telefon wieder an. „Und jetzt ruf endlich Saschas Eltern an, sonst drehen die noch vollends durch.“
    „Wieso? Hast du mit ihnen gesprochen?“
    „Was blieb mir anderes übrig? Du bist ja nicht rangegangen.“
    „Ich kann nicht anrufen, wenn du neben mir sitzt.“
    „Gut, dann warte ich im Wohnzimmer. Aber du bist ihnen eine Erklärung schuldig.“
    Ich nickte, vermutlich hatte sie recht. „Und lass die Hände von meinem Sherry!“
    Nachdem Lotta verschwunden war, saß ich noch eine Weile reglos vor dem Hörer. Was sollte ich Mareike und Julian sagen? So sehr ich es gestern genossen hatte, sie mit vagen Andeutungen zu quälen, heute musste reiner Wein her.
    Ein Klingeln ließ mich zusammenfahren: Kulicke! Vor meinem inneren Auge erschien ein bleicher, übernächtigter Sascha und ich betete, dass nur er am anderen

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