Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
ausgerechnet die haben. Jetzt brauche ich eine neue Idee.“
Diese Augen! Diese umwerfend blauen Augen, ich konnte und durfte ihnen nicht länger böse sein. „Was hältst du von einem Mobile?“
„Wo soll ich denn so schnell eins her bekommen?“
„Ich konnte mich gestern nicht entscheiden, was ich nehmen soll, und habe deshalb beides gekauft, die Spieluhr und das Mobile. Es sind ganz einfache Figuren in hellen Farben dran: gelbe Sonne, blaue Wolke, grüner Tannenbaum.“ Ich holte tief Luft: „Wenn du willst, kannst du es haben.“
Im Krankenzimmer herrschte das blanke Chaos. Alle redeten durcheinander. Robert, der beim ersten Besuch des jungen Glücks partout dabei sein wollte, stand etwas betreten in der Tür. Svenja bemerkte ihn zunächst gar nicht, ihr Strahlen galt allein Sascha. Der trat nun mit einem Strauß dunkelroter Rosen an ihr Bett und küsste sie innig.
„Danke für den Tipp“, flüsterte er später und wies auf die Blumen in Svenjas Hand.
Mareike unterbrach die traute Zweisamkeit. „Und du hältst Kim wirklich für einen passenden Namen? Schließlich ist sie doch ein Mädchen!“
Svenja wurde steif und zog Sascha zu sich ans Bett. „So viel Besuch, ich muss erst mal sehen, wer alles da ist.“ Bei Robert stutzte sie kurz, begrüßte dann aber auch ihn mit einem kurzen Nicken. „Schön, dass ihr gekommen seid, aber für so viele ist das Zimmer fast zu klein.“
Ich nahm den Ball auf, verabschiedete mich auf einen Espresso in die Cafeteria und zog Robert und Lotta mit auf den Gang. Kurz darauf verließen auch Saschas Eltern das Krankenzimmer.
„Dass ihr euch ja benehmt!“, mahnte Julian mit erhobenem Zeigefinger.
„Kommt ein bisschen spät, findet ihr nicht?“, meinte Lotta. „Was sollten die jetzt wohl noch anstellen?“
Der frisch gebackene Großvater wurde rot, verschluckte sich fast an einer Antwort und musste sich Roberts kameradschaftlichen Klopfer auf den Rücken gefallen lassen. „Gestatten: Robert Becker, Svenjas Vater und somit zweite Besetzung des überraschten Großvaters .“ Dabei musterte er den schlanken, blond gesträhnten Friseurmeister mit einem Blick, der sich gewaschen hatte. Er würde doch wohl nicht …
„Robert Becker?“ Julian kratzte sich am Kopf. „Nie gehört.“
„Nicht? Kennen Sie nicht die Serie: Auf frischer Tat ertappt? Nein? Schade. Läuft jeden Dienstag im Vorabendprogramm. Da können Sie mich als Streifenpolizisten sehen, wie ich den Kommissar zum Einsatzort fahre und ...“
Robert hatte seinem neuen Gesprächspartner die Hand auf die Schulter gelegt und redete bis zur Cafeteria auf ihn ein. Und da Mareike sich gerade laut- und wortstark bei Lotta über die Ungerechtigkeit des Schicksals beschwerte, das ihr ausgerechnet in dieser entscheidenden Phase ihres Lebens eine solche Verantwortung aufs Auge drückte, blieb mir ein kurzer Moment, in dem ich zur Ruhe kommen und meinen Espresso genießen konnte.
Dankbar dachte ich an gestern Abend, als ich mit Svenja und Kim fast eine Stunde lang allein sein durfte. Wenn ich die anderen heute so sah, gab mir das einen gehörigen Vorsprung: Sie standen noch voll unter Schock, während ich meine Gefühle wenigstens nach außen wieder im Griff hatte.
Julian hingegen war die nackte Angst ins Gesicht geschrieben. Was würden die anderen sagen, die Nachbarn, die Kunden? Wie würde sich der unerwartete Kindersegen auf sein Geschäft auswirken?
Frisiersalons sind wahre Lästerhöhlen, die leben von Skandalen. Da wird der Rubel in nächster Zeit nur so rollen, prophezeite Beelzebub.
Ich lächelte und gab ihm recht. Kim und Svenja würden dem Friseurmeister schon bald lieb und teuer sein. Bei Robert sah ich das ähnlich: Für ihn war alles eine Riesenchance, sich wieder in unser Leben zu schleichen und seine Fehler aus früheren Tagen vergessen zu lassen. Mareike hingegen hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, einen modernen französischen Namen für Svenjas Tochter zu erwirken und bearbeitete gerade Lotta. Da ich die aber auf unserer Seite wusste, machte ich mir weiter keine Gedanken.
Friede, Freude, Eierkuchen , krähte Beelzebub. Bist du nun glücklich, dass auch mal die anderen versagen und nicht immer nur du?
Glücklich? Nein, nicht wirklich. Aber unglücklich auch nicht, dafür war ich zu aufgewühlt. Im Gegensatz zu heute Morgen spürte ich sogar so etwas wie Aufbruchsstimmung.
Toughe Omas braucht das Land!
Ob ich als Oma wohl jemals so überzeugend sein würde wie Lotta? Bei Svenjas
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