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Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Titel: Wickelblues & Wimperntusche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Wolff
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Geburt war sie 39, als sie zu uns nach Berlin zog 40, und bis heute fiel es mir schwer, sie als Oma zu sehen.
    Mit 35 bist du im besten Minirock-Alter, meldete sich der Anni-Engel. Leben à la Carte, erinnerst du dich? Du musst es nur tun!
    Wer von beiden wohl recht behalten würde? Beelzebub mit seinem Oma-Geschrei oder Anni mit ihrem Marktwert?
     
    Eine gute Viertelstunde war alles, was die beiden Turteltauben an gemeinsamer Zeit bekamen, dann stürmten die frisch beförderten Verwandten das Zimmer. Dort hing inzwischen ein Schild:
    STILLZEIT – BITTE NICHT STÖREN
    Ich schlich auf Zehenspitzen hinein. Wo war Sascha?
    „Sascha ist eine rauchen“, flüsterte Svenja und strahlte mich an. „Ist sie nicht niedlich?“ Sie hielt die kleine Kim noch etwas unsicher, aber fest im Arm und sah verzückt zu, wie sie trank.
    „Danke, Mama“, hauchte sie schließlich.
    „Wofür?“
    „Weil du nicht schimpfst.“
    „Ich versuche, mich zu beherrschen. Vorwürfe machst du dir sicher genug.“ Vorsichtig setzte ich mich auf den Bettrand und strich dem Baby über den Haarflaum.
    „Sie ist blond, Mama. Wie Sascha.“
    „Und wie du.“ Ich zeigte auf ihre eigenen, frisch gewaschenen Haare. „Wenn sie mal nicht gefärbt sind.“
    Kim, die nach ihrer Mahlzeit erschöpft eingeschlafen war, zuckte mit den kleinen Fäustchen und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
    „Wie winzig sie ist.“ Svenja unterdrückte ein Schluchzen. „Hoffentlich ist sie gesund. Ich meine nur, weil ich doch bei keiner Vorsorgeuntersuchung war und so.“
    Wie hatte ich nur die Anzeichen einer Schwangerschaft übersehen können? Nicht so sehr den Bauch, der bei einer sportlichen Fünfzehnjährigen sicher weniger ausgeprägt war als bei einer erwachsenen Frau. Es waren eher die Veränderungen in ihrem Gesicht: die Haut großporig und blass, Nase und Lippen leicht geschwollen und das gesamte Unterhautgewebe aufgeschwemmt, Vorräte für die kommenden Wochen und Monate.
    „Mein Bauch ist immer noch ganz dick!“, klagte Svenja prompt. „Und Streifen hab ich auch. Da und da …“ Sie nestelte an ihrem Nachthemd herum und zeigte unglücklich auf die rosa leuchtenden Bindegewebsrisse an Bauch und Oberschenkeln. „Geht das wieder weg?“
    „Ja und nein.“ Was sollte ich sagen? „Der Bauch ist noch ausgeleiert, aber mit ein bisschen Sport und Bewegung kriegst du das schnell wieder hin.“ Ich zeigte auf die Schwangerschaftsstreifen. „Die werden wohl bleiben, aber ich finde das nicht schlimm. Wer dich deswegen nicht schön findet, hat dich eben nicht verdient.“
    „Bist du böse?“ Schüchtern blickte sie durch die Haare zu mir hoch. „Wegen Kim, meine ich, und weil ich nichts gesagt hab.“
    Ich atmete tief. „Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, Svenja. Dass du jetzt ein Baby hast ist nicht ganz so tragisch, wie du vielleicht denkst, das kriegen wir schon hin. Obwohl ich dich für klüger gehalten hätte.“
    „Ach Mama, es war doch keine Absicht. Es war ... es ist einfach passiert, wir hatten das nicht geplant.“
    Tausend und eine Nacht, und es hat Zoom gemacht ...
    „Bist du jetzt böse?“
    „Böse nicht, eher enttäuscht. Weil du nichts gesagt hast und ich deshalb keine Möglichkeit hatte, mich in Ruhe auf den Familienzuwachs zu freuen. Das nehme ich dir übel.“
    „Mamaaaa ...“
    „Absolution bekommst du von mir nicht, alles andere wird sich finden. Und jetzt ruh dich aus, der Alltag wird anstrengend genug.“
    Svenja schwieg eine Weile. „Was werden die anderen jetzt sagen? Bestimmt zerreißen sie sich das Maul über mich.“
    „Natürlich werden sie das, Schadenfreude gehört dazu. Aber mal ehrlich: Würdest du es dir entgehen lassen, wenn das Britta oder Pauline passiert wäre und nicht dir?“
    Svenja schüttelte den Kopf und legte ihr Baby zurück in den Wagen. „Gleich kommt die Schwester und nimmt sie wieder mit“, klagte sie und sah mir ins Gesicht. „Geht das wieder weg? Dieses Sorgenmachen und hoffen, dass alles gut wird?“
    Ich seufzte. Was sollte ich antworten? „Nein, Svenja, das wird nie ganz weg gehen, solange ihr lebt. Aber im Laufe der Zeit wird es leichter. Du wirst lernen, es auszuhalten und sie trotzdem Dinge tun zu lassen, die nicht gut für sie sind, jeden Tag ein bisschen mehr. Und feststellen, dass sie nicht gleich zerbricht, wenn mal eine größere Herausforderung auf sie zukommt. Jetzt lass ich die anderen rein, sie warten schon so lange. Wir zwei sehen uns morgen.“
     
    Der Rest des

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