Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
überfällig, dass du deine Pläne ohne mich machst; irgendwann ist es Oktober und der Möbelwagen steht vor der Tür.“
„Danke, dass du mich daran erinnerst!“ Am liebsten hätte ich ihr den Hörer an den Kopf geknallt. „Hätte ich sonst glatt vergessen.“
„Warum so giftig? Du kippst doch sonst nicht gleich um, nur weil ein Plan nicht funktioniert.“
„Ach, ich weiß auch nicht.“ Ich zupfte ein Blatt Toilettenpapier von der Rolle und putzte Augen und Nase trocken. „Es ist nur – Kimmie hat die ganze Nacht geschrien und alle wach gehalten. Dreimonatsblähungen, denke ich. Angeblich gehen die von allein wieder weg, aber bis dahin haben wir uns alle in Zombies verwandelt.“ Ich fühlte mich hundeelend. „Damit wenigstens die Kids eine Mütze voll Schlaf abbekommen, habe ich Kimmie mit zu mir ins Zimmer genommen, aber ...“
„Ja ja, ich weiß schon, darum bist du jetzt übernächtigt und empfindlich und ein bisschen ungerecht. Und Svenja?“
„Die schläft noch, glaube ich.“
„Prinzessin auf der Erbse, was? Du verwöhnst sie zu sehr, Yvonne, so wird sie nie selbstständig. Es wird Zeit, dass sie ihren Teil an Verantwortung übernimmt und dir hilft.“
Ich sagte nichts, Lotta hatte ja recht, wieder einmal! Trotzdem konnte ich spüren, wie der Zorn meiner eigenen Jugendzeit langsam hoch stieg. „Ich verwöhne sie kein bisschen, im Gegenteil: Sie muss Staub saugen und den Müll runter tragen und pünktlich um zehn zu Hause sein und die Kleine wickeln und Fläschchen machen und ...“
„Das ist aber toll! Was für eine verantwortungsbewusste junge Mutter, ich bin beeindruckt!“
Ich rieb mir ratlos die Augen. Von wegen Omas wollen nicht an einem rumerziehen sondern sind nur da, wenn man sie braucht!
„Hand aufs Herz: Wie viele Stunden dieser Nacht hat Svenja übernommen?“
„Na ja, ich habe ihr die Kleine zum Stillen gebracht, und …“
„Und Sascha?“
Ich gab auf. „Der ist so perfekt, dass mir manchmal ganz schlecht wird. Tut und macht den ganzen Tag und meist noch bis in die Nacht; entweder hält er Händchen bei Svenja oder wickelt Kimmie oder brütet über seinen Büchern. Und wenn Svenja ihn anhimmelt und sagt: Scha-atz, tust du mir einen Gefallen?, dann springt er sofort auf und macht auch das noch.“
Neidisch?
„Er vergöttert sie, Lotta, verstehst du? Alle beide, es ist kaum zum Aushalten. Und mich gleich mit, ich stehe auf Saschas Beliebtheitsskala ganz oben. Ich fange echt an, mir um den Jungen Sorgen zu machen.“
„Warum das? Ist er nicht genau so, wie du dir einen Vater immer gewünscht hattest?“
Ich drückte den roten Knopf am Telefon und Lotta aus meinem Kopf. Das war nicht fair!
„Morgen!“ Verschlafen, aber friedlich schlurfte Svenja in Richtung Bad. Ich drehte schnell den Schlüssel herum, noch war ich zum üblichen Small-Talk mit einem Morgenmuffel nicht in der Lage.
„Wasnlos?“, kam es vom anderen Ende der Tür. „Seit wann schließt du dich im Klo ein? Bist du grätig oder was?“
„Nein, ich jubele vor Freude, weil ich gleich ohne Schlaf zur Studio-Theke rasen darf, um unsere Miete zu verdienen“, knurrte ich. „So viel Makeup gibt es gar nicht, um diese Nacht aus dem Gesicht zu malen.“
„Wegen dem bisschen Kindergeschrei! Man kann sich auch künstlich anstellen!“ Svenja verzog sich vorsichtshalber in die Küche. „Da schläft man einmal etwas länger, und schon drehen hier alle am Riesenrad.“
Nun war das Maß voll! Von wegen, ich würde sie zu sehr verwöhnen, die würden schon alle noch sehen. „Ach nee! Wer schlägt sich denn hier die Nächte um die Ohren ohne ein Dankeschön? Du etwa? Aber damit ist jetzt Schluss, ab heute werden andere Seiten aufgezogen!“ Lotta würde keine Chance mehr bekommen, über meine pädagogischen Fähigkeiten herzuziehen! „Als erstes wird Kimmie wieder aus meinem Schlafzimmer aus- und bei dir einziehen, keine Widerrede! Und Saschas nächtliche Wanderungen vom Wohnzimmer zu dir hören auch auf.“
Oh, wie pädagogisch! Beelzebubs Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen.
„Überwachst du uns etwa?“
„Ich mag ja mit 35 schon alt sein, aber deswegen bin ich noch lange nicht senil. Bei dem Krach, den ihr jedes Mal veranstaltet, muss die Kleine ja wach werden.“
Svenja verdrehte die Augen. „Ach, jetzt bin ich also mal wieder an allem schuld, nur weil du nicht belastbar bist. Typisch! Vielleicht erinnerst du dich daran, dass der Kinderarzt von Bauchweh und Blähungen gesprochen hat?
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