Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
ich aus lauter Verzweiflung sogar Englisch-Vokabeln pauke. Das ist nicht fair!“
„Hat irgendwer geklingelt oder angerufen?“
„Paula und Jenny waren da und haben ihren Anstandsbesuch gemacht, aber sie mussten gleich wieder weg, weil sie sonst zu spät ins Kino gekommen wären.“ Sie schluchzte schon wieder. „Ich will auch mal wieder weg, Mama. Ich liebe Kimmie und würde sie niemals hergeben oder so, aber ... ich bin so allein!“
Ich wrang den Lappen aus und setzte mich neben Svenja auf den klebrigen Fußboden. Kim klagte schon wieder, aber die paar Minuten konnte sie warten.
„Pass auf: Du hilfst mir jetzt, die Wohnung herzurichten und das Mittagessen für morgen vorzubereiten. Dafür kriegst du den Abend frei. Ich spendier zwei Karten für das Kino, also schnapp dir deinen Sascha und geh richtig schön aus. Aber sei leise, wenn ihr wieder kommt, denn ich hab einen ziemlich vollen Plan für die paar Stunden, in denen du weg bist.“ Ich deutete mit dem Kopf auf den Stapel PEPITA-Leserbriefe, der schon seit Tagen unbearbeitet auf dem Schreibtisch lag.
„Und Kimmie? Stört die nicht beim Schreiben?“
Ich zwinkerte ihr zu. „Eigentlich nicht, denke ich, die eine oder andere Pause wird mir gut tun. Und falls doch, packe ich sie einfach ein und gebe sie bei Mareike ab. Wir sollten uns viel öfters eine Auszeit gönnen, findest du nicht?“
Svenja verzog ihren hübschen Mund zur Schnute. „Bloß nicht, Mama. Mareike bringt es fertig und zieht ihr eines dieser scheußlichen rosa Puppenkleider mit Puffärmelchen an!“
Nun mussten wir beide lachen. „Was soll’s, schaden wird es Kimmie nicht. Und gegen ein bisschen Rosa als Gegengift zu unserem Lebenswandel ist doch eigentlich nichts einzuwenden, oder?“
Svenja fiel mir in einem spontanen Anfall von Dankbarkeit um den Hals. „Danke, Mama.“
„Klar doch, Große, du hast dich tapfer geschlagen. Eine Auszeit ohne Kim, Haushalt oder Schule sei dir gestattet, zumal du ab Montag wieder lernen musst.“
„Echt?“
Ich nickte.
Svenja sprang auf, zögerte und drehte sich langsam um. „Mama, wenn wir grad dabei sind ... Ich will nicht zu deinem Arzt gehen.“
Ich dachte an meinem ersten Besuch beim Frauenarzt und wurde watteweich. „Der Besuch beim Gynäkologen ist nie angenehm, aber das legt sich mit der Zeit. Die Nachuntersuchung ist notwendig und er wird sehr vorsichtig sein, versprochen. Ich hab ihm erzählt, dass du noch nie beim Frauenarzt warst, und er ...“
„Aber das ist es ja!“ Svenja verhakelte die Finger ineinander und schaute gebannt auf das Ergebnis.
„Was ist es?“
„Er ist dein Arzt, Mama.“
„Ach so.“ Ich dachte nach. „Du denkst, dass er mit mir über dich spricht? Oder ich mit ihm?“
Svenja nickte. „Du kennst ihn seit Jahren und ich nicht. Du hast ihm wer weiß wie oft von mir erzählt und ich ... Mama, ich kenne ihn doch gar nicht!“
„Aber einen anderen Gynäkologen kennst du doch auch nicht.“
Nun huschte doch ein kurzes Lächeln über ihr vom Heulen ganz verquollenes Gesicht. „Doch. Den netten Arzt aus dem Krankenhaus.“
„Den Franzosen?“ Ich grinste bei der Erinnerung an die kleine, gedrungene Gestalt mit der unerwartet vollen Stimme, dem grell orangefarbenen T-Shirt und dem sympathischsten Akzent, den ich je gehört hatte. „Aber ich weiß gar nicht, ob das möglich ist.“
„Ich aber.“ Svenja war schon Feuer und Flamme. „Ich hab im Krankenhaus angerufen und gefragt. Die sagen, man muss nur ...“
„ Du hast im Krankenhaus angerufen? Die sonst immer vor Scham im Boden versinkt, wenn sie mit Fremden reden soll?“
Svenja grinste. „Er hat eine Praxis in Essen und kann die Nachuntersuchung machen, ich muss nur meine Krankenkassenkarte mitbringen. Und einen Erwachsenen, wenn möglich. Ich hab schon einen Termin gemacht, für Mittwoch.“
„Aber ich kann dich am Mittwoch nicht nach Essen fahren. Ich hab mir den Nachmittag extra frei gehalten, um den PEPITA-Artikel zu schreiben, es ist höchste Zeit.“
„Wer spricht denn von dir?“
„Wer sonst?“
„Anni kommt mit, wenn du einverstanden bist. Wir nehmen die Straßenbahn und machen uns einen schönen Nachmittag in Essen.“
„Und die Zwillinge?“ Gegen so viel Eigeninitiative war ich machtlos. Ich dachte an Lotta und grinste: Von wegen Prinzessin auf der Erbse, es musste nur um den richtigen Einsatz gehen.
„Die Zwillinge kommen nicht mit, nur Kimmie. Passt du auf die Jungs auf, Mama? Bitte!“
„Na dann
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