Wickelkontakt - Roman
Hochzeitsgäste standen mit uns auf dem Bootssteg und genossen den Anblick. Laute Aaahs und Ooohs erklangen, wie es sich für ein richtiges Feuerwerk gehört. Als der Himmel ein einziges buntes Spektakel war und alle ergriffen den Atem anhielten, konnte ich es nicht mehr für mich behalten. Ich hielt meinen Mund nah an Jonas’ Ohr und flüsterte: » Schatz, ich bin schwanger!« Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, ich schaute immer noch in den Nachthimmel über uns. Noch ein paar goldene und silberne Sternschnuppenschauer zogen ihre Bahn vom Himmel ins Wasser, dann wurde die Musik leiser, die Stimmung dezenter. Das Feuerwerk war vorbei.
Zum Jubel unserer Hochzeitsgäste küssten wir uns. Dann sahen wir uns lange in die Augen. Jetzt war es ausnahmsweise einmal Jonas, der verstohlen eine Träne wegwischte. In seinen Augen spiegelten sich die letzten, verglimmenden Sterne des Hochzeitsfeuerwerks und meine eigene Freude.
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Ich packe, du packst, er/sie/es packt, Maja packt alles wieder aus, und ich fange von vorne an. Ich könnte schreien vor Wut, wie soll ich diesen Umzug mit einem einjährigen Krabbelkind schaffen, wenn mein Mann die ganze Zeit arbeitet, mich mit allem alleine lässt, und mein Baby, während ich kurz auf der Toilette bin, alles aus den Kartons holt, was ich mühsam in Zeitungspapier gewickelt und verstaut habe? Ein Herr Sisyphus ist nichts dagegen, der könnte sich von mir noch eine Scheibe abschneiden! Einzige Möglichkeit: abends und nachts packen, Schwiegereltern fragen zwecks Betreuung, mich beruhigen. Wir haben noch zwei Wochen Zeit, unsere Wohnung aus- und das neue Haus einzuräumen. Am Samstag, dem dritten März wollen wir umziehen, bis dahin ist also wirklich noch Zeit. Da Huberts aber die letzten fünfzig Jahre im Pinneberger Endreihenhaus nichts renoviert haben, müssen wir das auch noch irgendwie schaffen. Das heißt für mich: fleckige Fußböden, dreckige unverputzte Wände, gefährliche Kabel, an denen Maja sich im schlimmsten Fall einen Stromschlag holen und sich im günstigsten Fall erwürgen kann.
Jonas kommt abends nach Hause und erklärt, er habe zwei Wochen Sonderurlaub beantragt für die Renovierung und dass er mich natürlich nicht mit meinen Sorgen und Nöten alleine lässt. Das beruhigt mich etwas. Maja merkt anscheinend auch, dass etwas im Busch ist– wie hätte ich ihr das bei den ganzen potenziellen Nachmietern, die täglich durch unsere Wohnung stapfen und dabei auf Majas Puzzlematten treten oder angesichts des etwas unappetitlich duftenden Windeleimers die Nase rümpfen, auch verheimlichen sollen?
Wir sind in Aufbruchstimmung, ich habe angefangen, an meinen Nägeln zu kauen, und in einer Woche vier Kilo abgenommen. Gleichzeitig mit unseren Umzugsplänen hat sich auch Maja überlegt, dass sie sich nun nicht mehr nur rollend fortbewegen, sondern ihre erste Wohnung noch einmal auf allen vieren und schnell wie der Blitz erkunden möchte. Hätte mir früher jemand gesagt, dass so ein kleines Kind schneller krabbelt als man gucken kann, hätte ich es nicht geglaubt. Aber ich war so naiv, vieles nicht zu glauben, oder sogar zu denken: » Bei mir wird das natürlich ganz anders sein. Ich arbeite sofort wieder, und das Kind geht jeden Tag acht Stunden in die Kita. Außerdem nehme ich schon ganz von selber ab. Mein Kind schreit nicht, trinkt ordentlich, macht nur alle vier Stunden die Windel voll und schläft von Anfang an durch.« Haha– falsch gedacht!
Und mit entsprechendem Kindesalter ändern sich die Sätze noch. Immer noch meine ich, Maja würde sich im Kindergarten natürlich nicht von Schimpfwörtern » anstecken« lassen und selbstverständlich ein Taschentuch benutzen, um sich die Nase zu putzen, und nicht ihren Ärmel. Natürlich wird sie nicht zu den Kindern gehören, die sich mit der Schere selbst die Haare schneiden. Dafür ist sie einfach viel zu klug. Aber ich rechne auch schon damit, dass es ganz anders wird: Als Mutter stellt man sich wohl besser immer auf das Schlimmste ein. Und vor allem darauf, dass man das Verhalten seines Kindes so gut wie nie beeinflussen kann.
Die Zeitschrift Mütter hat sich übrigens auf meine Bewerbung noch nicht bei mir gemeldet, aber ich hoffe weiter auf ein positives Feedback. Ja, ich will wieder arbeiten. Das war mir ja von Anfang an klar, auch wenn es mir nicht mehr so wichtig ist, denn vor allem möchte ich mich um Maja kümmern. Wie das zusammengehen soll, weiß ich noch nicht, aber ich hoffe, es findet sich eine
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