Wickelkontakt - Roman
nützte ja auch nichts, hier zu stehen und rumzulamentieren. Mona tat es leid, dass ich ihretwegen zu der Party gegangen war, mir tat es auch leid, aber Schuld hatte ich allein. Ich hätte ja nicht blaumachen müssen, dann wäre ja alles kein Problem gewesen, und ich könnte hier in Ruhe feiern.
Wir verabschiedeten uns, es war ja klar, dass ich jetzt nach Hause fuhr, und Mona blieb mit einem mulmigen Gefühl bei Jans Party und versuchte zu retten, was zu retten war, indem sie Tom und den anderen erzählte, dass ich eigentlich wirklich krank und nur ihretwegen mitgekommen war. Aber dass sie mich angeblich noch hatte überreden müssen, schien doch zu unglaubhaft für diejenigen, die mich kannten, so dass sie es bald wieder aufgab, mich zu verteidigen.
Ich fuhr direkt zu Jonas und erzählte ihm von der Misere. Ohne mit mir zu schimpfen, nahm er mich in den Arm und tröstete mich.
» Jeder macht mal Fehler, Süße«, sagte er, aber wir beide wussten, dass ich hier vielleicht einen Schritt zu weit gegangen war. Das Wochenende verging viel zu schnell, ich hatte fürchterliche Angst vor den Konsequenzen, die auf mich zukommen würden. Jonas kochte für mich, lud mich ins Kino ein, und wir sahen » Nur die Liebe zählt«– kurz, er tat alles, um mich aufzuheitern, aber mit jeder Minute, die verging, wurde mir mulmiger zumute.
Die Quittung für meinen Fehltritt bekam ich dann auch am Montag. Schon wieder Montag, schon wieder Angst vor einem Anschiss.
Um zwölf Uhr, pünktlich zu meiner Spätschicht, kam ich zur Arbeit, und alles war ruhig. Vor allem aber schwiegen die Kollegen, niemand sprach mit mir. Es herrschte Grabesstimmung. Mir war, als lauere etwas Böses, Gemeines, Dunkles hinter einem Busch, das nur darauf wartete hervorzubrechen und sich ein Opfer zu schnappen. Das Opfer war ich, so viel stand fest.
Und das böse Monster sprang brüllend hervor, als ich in mein persönliches Memo-Fach griff. » Frau Sophie Sonnenberg, im Hause«, stand mit der Maschine geschrieben auf dem weißen Umschlag mit dem Sender-Logo in der Ecke.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die Kollegen mich beobachteten. Es redete immer noch keiner. In unserer sonst so lustigen, lebhaften Redaktion war es ganz still. Mona war in einem Meeting, so dass ich nicht mal kurz mit ihr sprechen konnte. Ich steckte den Brief ein und verdrückte mich aufs Klo. So ungut, wie meine Vorahnung war, wollte ich nicht, dass irgendjemand mitbekam, wie ich dieses offizielle Schreiben des Senders öffnete– vermutlich mein letztes, bis auf mein Zeugnis, das wohl noch kommen würde. Mit zitternden Fingern kramte ich mir eine Zigarette aus der Jackentasche, zündete sie an, zog den Rauch tief ein und fummelte den Brief auf.
… sehen wir uns gezwungen, das Beschäftigungsverhältnis mit Ihnen zum Ende des Monats aufzulösen. Für Ihre berufliche und private Zukunft … alles Gute …
So, jetzt hatte ich die Rechnung schwarz auf weiß. Die rosa Kachelwände des Klos verschwammen vor meinen Augen. Hatte ich das etwa Tom zu verdanken? Der hatte diese Woche Frühschicht und war schon weg, ich konnte ihn also nicht mal fragen. Oder wie war Kaiser darauf gekommen, dass ich am Freitag putzmunter auf der Party gewesen war? Vielleicht hatte mich ein anderer verpetzt? Vielleicht eine fiese Kollegin, die sich beim Programmdirektor beliebt machen wollte?
Wahrscheinlich hatte ich mich auch mal wieder versprochen– ein Hamburger Senator wurde bei mir zum Minister, die Hauptstadt von Frankreich hieß Frankreich, und den Gesundheitskonzern Fresenius hatte ich einfach mal zu » Fresen« abgekürzt… (das war aber nur, weil die Kopie des Börsenberichtes so unleserlich war!). Aber waren das alles Gründe, mich zu feuern? Zusammen mit meiner Krankmeldung und dem Besuch einer Party am selben Tag: Ja.
Ich rauchte meine Zigarette zu Ende, zitterte noch ein bisschen vor mich hin, warf die Kippe aus dem Fenster und blinzelte aufsteigende Tränen weg. Zum Heulen war es zu spät, es ließ sich ja nun nichts mehr ändern. Vielleicht konnte ich den Kaiser dazu überreden, mir ein gutes Zeugnis auszustellen, dann konnte ich damit später wenigstens bei meinen Kindern und Enkeln angeben. » Guckt mal, eure Oma hat mal moderiert!«
Als ich dreimal tief durchgeatmet hatte und etwas ruhiger an meinen Platz zurückging, waren die Kollegen wieder etwas lebhafter geworden. Ich ignorierte neugierige Blicke und hoffte, dass Monas Meeting bald aus war, damit ich mit ihr Kaffee trinken und die
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