Wickelkontakt - Roman
versuche, nicht zu doll auf die überpräsenten, prallvollen Mami-Brüste zu starren, setze mich beschämt auf den Linoleumboden und stelle die Tasche mit Maja darin neben mich.
Es dudeln leise Walgesänge aus einer Anlage (gehört das auch noch zur N atürlichkeit ?), einige Babys liegen auf einer großen Gummimatte, andere werden noch ausgezogen, und wieder andere sabbern in bunte Tücher, während eine barbusige Mami mit einer Art Rassel mit Glöckchen dran vor zwei Babys herumklingelt, wobei ihre eigenen Glocken erheblich ins Schwanken geraten.
Die meisten der Säuglinge hier im Kurs machen ihrem Namen aber alle Ehre– und saugen! Natürlich an Mutters Busen. Da beschleicht mich die E rkenntnis, dass ich hier vielleicht die einzige Nicht-Still-Mami bin. Meine Güte, wenn die anderen das merken, dann bin ich dran, grübele ich vor mich hin. Sie werden sich wie die Hyänen auf mich stürzen, und ich darf bloß nicht erzählen, dass Maja fast niemals Muttermilch getrunken hat, bis auf einige winzige Tropfen, die sich melkmaschinenmäßig noch im Krankenhaus aus mir herauspressen ließen. Danach hatte ich das Stillen für mich aufgegeben, und als wir nach drei Tagen endlich zu Hause waren, erst mal gierig eine Zigarette geraucht und ein Glas Sekt getrunken. Willkommen zurück im Leben!, hieß es da. Aber jetzt heißt es ja: Willkommen bei NEMO!
» Hallo«, spricht mich da eine lange dünne Frau mit kurzen grauen Haaren an, die ganz in Batiktücher gehüllt zu sein scheint. Gott sei Dank, wenigstens ist sie nicht nackt! » Herzlich willkommen, schön dass du auch dabei bist, ich bin Elke«, sagt sie. Ich nicke und lächle.
» Wenn du möchtest, mach dich doch auch frei, das fördert unheimlich das Körpergefühl, so kannst du dich ganz mit deinem Kind vertraut machen, sei da einfach ganz ungehemmt! Heute wollen wir erst mal eine kleine Vorstellungsrunde machen und eure Babys dann ein paar ganz natürliche Erfahrungen machen lassen. Zum Beispiel wollen wir mit unseren eigenen Körpergeräuschen einen Regenguss simulieren und danach schwankende Bäume im Wind darstellen und dann noch alles, was ihr auch selber vorschlagt. Hier geht es vor allem auch darum, dass ihr euch ganz offen einbringt, mit allem, was ihr mit einem natürlichen Körpergefühl verbindet.«
Ich nicke wieder und lächle, mehr kann einfach niemand von mir verlangen. Nicken und lächeln, das wird mein Motto für heute. Jetzt schon tun mir die Wangen weh, als würde sie jemand nach hinten ziehen, aber ich lächle tapfer weiter.
» So«, ruft die Batikfrau, » jetzt scheinen wir vollzählig zu sein. Wollen wir uns dann mal alle vorstellen?«
Als ein Baby wie auf Kommando zu plärren anfängt, lachen einige. Ich nicht, weil ich Angst habe, Maja könnte von dem ganzen Durcheinander aufwachen, und die Mutter von dem Kind, das gerade dran ist mit schreien, lacht auch nicht. Prompt schält sie sich aus ihrem BH und nimmt sich das Baby zur Brust, im wahrsten Sinne. Es wird ruhiger, und ich werde nervös. Gleich merken sie, dass ich nicht stille! Heimlich versuche ich die Thermoskanne mit heißem Wasser und die Nuckelflasche mit Milchpulver, die ich für Majas kleinen Hunger zwischendurch eingepackt habe, mit meiner Jacke zu bedecken. Dann ziehe ich meine Strickjacke aus. Hier ist es aber auch wirklich warm, puh, schwitz. Also, mehr Freizügigkeit können sie aber nicht von mir erwarten!
Ich schaue mir die anderen Mütter an und zähle zwölf mehr oder weniger nackte Mamis mit ihren Kindern. Elke fordert sie als Erste auf, sich und ihren Sprössling vorzustellen. Dieser liegt nackig auf der blauen Turnmatte und fuchtelt wild mit Armen und Beinen, wobei er versucht, die Ecke eines Spucktuchs in seinen Mund zu stopfen. Vor Anstrengung hat er schon einen ganz roten Kopf.
» Ja, hallo erst mal…« (Das sagt sie wirklich, und ich glaube, es ist nicht als Rüdiger-Hoffmann-Parodie gemeint!) » Ich bin Nicole, und das hier ist Amadeus. Er ist jetzt vierzehn Wochen alt, kann schon ganz toll den Kopf halten und dreht sich auch schon alleine vom Bauch auf den Rücken. Auch der Osteopath hat gesagt, dass Amadeus motorisch schon wahnsinnig weit entwickelt ist, das hätte er bis jetzt wirklich nur selten gesehen… Ja, was soll ich noch sagen: Ich bin dreiundvierzig, Amadeus ist unser erstes Kind, und ich fühle mich auch total zur Mutter berufen. Also eigentlich möchte ich jetzt auch nicht mehr arbeiten, weil ich einfach denke, das Kind gehört ja zur Mutter.
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