Wickelkontakt - Roman
fühl mich wie im falschen Film! Geburt? Wunderbar? Die beiden Worte passen ja nun kaum zusammen, es sei denn in dieser Kombination: » Danke, dass die Geburt endlich vorbei ist, das ist wunderbar!« Und natürlich war es wundervoll, mein kleines Babylein im Arm zu halten, aber das ist doch auch klar.
Nach Amadeus und Thymian werden noch Fiete, Feodora, Vincent, Elvis, Ringo und Nova-Lillebi vorgestellt. Ein Kurs künftiger Akademiker, Künstler und Bundeskanzler. Was aus Thymian mal werden soll, erschließt sich mir nicht, vielleicht Koch? Jedenfalls fällt meine ungestillte, anscheinend dadurch auch völlig ungeliebte Maja ziemlich aus dem Rahmen. Sie ist einfach nach einer lustigen, pummeligen Biene benannt, die mutig durch die Welt brummt.
O herrje, jetzt bin ich dran. Jetzt muss ich meinen ganzen M ut zusammennehmen, um zu sagen, was ich zu sagen habe. Maja schläft immer noch und nuckelt brav an ihrem Schnuller. Von wegen, Schlafkrankheit. Na ja, ich sag ja: Jedes Kind entwickelt sich ganz individuell. Also, tief einatmen, und raus mit der Wahrheit:
» Ja, also, hallo, ich bin Sophie. Ich bin dreißig, Maja ist unser erstes Kind, ich bin verheiratet und Journalistin. Ich vermisse meinen Beruf und würde gerne bald wieder arbeiten.« Ungläubige, sogar erschrockene Blicke der ach so erfüllten NEMO-Mütter lasten auf mir. Sogar die Wale hören auf zu singen, entweder sind sie vor Schreck gestorben, oder die CD ist ganz schlicht zu Ende.
Ach nee, da fehlt ja noch was: » Und stillen hat bei mir nicht geklappt, finde ich aber auch nicht schlimm, Maja liebt ihr Fläschchen, trinkt brav und schläft damit seit vier Wochen auch endlich schön durch. Und die Geburt fand ich grauenhaft. Das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Schon als ich wusste, dass ich schwanger bin, hab ich nach der PDA geschrien– leider konnte ich keine bekommen, weil Maja sich so schnell auf die Welt gedrängt hat, aber zum Glück waren die grauenhaften Schmerzen dann auch endlich vorbei. Die Schwangerschaft war auch das Allerletzte, ich musste die ganze Zeit kotzen. Und ein zweites Kind wollen wir auch nicht, ist mir einfach zu anstrengend. Maja kann sich übrigens auch bis jetzt weder vorwärts noch rückwärts drehen. Ach, entschuldige…«, wende ich mich, ganz in meiner neuen O ffenheit aufgehend, an die erste Mutter, die sich vorgestellt hatte, Nicole. » Dein kleiner Amadeus isst gerade sein Tuch auf! Und was genau ist ein Osteopath? Und wo sind eigentlich eure Kinderwagen?« Ich lache ein bisschen, um dem Ganzen eine sympathische Note zu verleihen, aber das Lachen wirkt ziemlich unecht– was es ja auch ist–, und es lacht auch keine mit.
In diesem Moment, in das ungläubige und empörte Staunen hinein, höre ich das vertraute » Quack!«, das Maja macht, wenn sie aufwacht, kurz bevor sie Hunger kriegt und mit Schreistufe eins beginnt. Aber, trotz aller Offenheit: Ich bin doch nicht des Wahnsinns und fange hier an, vor allen Augen ein Fläschchen mit der bösen Kunstnahrung zu mischen! Zum Glück zeigt die kleine Schlafmütze, dass auch Flaschenkinder so richtig doll schreien können, und legt sich heftig ins Zeug. Ich raune der Leiterin über den Lärm hinweg ein » Tut mir leid, ich muss wohl mal füttern« zu und trage die krakeelende Maja samt Tasche raus. Im Vorbeigehen an den anderen höre ich noch: » Das arme Kind, ständig in dieser Tragetasche, das ist ja auch ganz schlecht für den Rücken…«
Mann, war das heiß da drinnen, ich hatte ja auch meine Sachen zum größten Teil anbehalten. Auf einem der Zwergenstühle gebe ich Maja ihre Flasche, halte sie noch ein bisschen im Arm und sage ihr, wie hübsch und süß sie ist. Das hört sie immer gerne. Und dass es auch okay ist, wenn sie später nicht studiert.
Dann schiebe ich sie, immer noch kopfschüttelnd, durch den Stadtpark zurück nach Hause. » NEMO, im Einklang mit der Natur…«, also wirklich, was es alles gibt. Vielleicht wird’s beim Babyschwimmen besser, da gehen wir morgen hin.
24
Im Sender höre ich schon Gemurmel, als ich im Flur stehe, es verstummt abrupt, als ich die Redaktion betrete. Meine Sonnenbrille sieht schick aus, und ich werde sie heute nicht absetzen. Für kein Geld der Welt soll jemand meine schlimm verweinten Augen sehen.
» Aaah, Frau Sonnenberg, ich habe schon auf Sie gewartet. Kommen Sie doch mal eben in mein Büro.« O je, auch das noch. Der Kaiser hatte mir im Flur aufgelauert, jetzt gab es kein Entrinnen. Nach dem Brief folgte nun
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