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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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Um zehn sollte ich an der Palmaille in Altona sein, um einen guten Eindruck zu machen.
    » Nein!«, wimmerte ich, » ich dachte morgen! Wie soll ich mir denn jetzt noch die Beine rasieren, die Haare kuren, alle Zeitungen der letzten Tage lesen und mich richtig vorbereiten? Ich flipp aus! Ich muss das absagen!«
    Jonas beruhigte mich, verdrehte aber auch die Augen.
    » Ich dachte, als du neulich beim Essen davon gesprochen hattest, wie du dich vorbereiten willst, dass du das metaphorisch meinst! Natürlich ist heute das Gespräch, also los, hopp, hopp, anziehen, und dann wird das schon! Hauptsache, du tauchst da pünktlich auf! Und denk dran, versuch ein bisschen seriös rüberzukommen, ja, Süße?« Er küsste mich. » Tut mir leid, ich muss echt los, sonst krieg ich Ärger. Viel Glück! Sehen wir uns heute Abend?«
    » Ja, ich denke schon«, sagte ich abwesend und fing an, in Windeseile meinen Kleiderschrank zu inspizieren. Jonas seufzte und schloss die Tür hinter sich, das bekam ich aber nur so am Rande mit. Viel wichtiger war jetzt: Was zieh ich bloß an? Natürlich war mein Schrank randvoll, es befand sich aber nichts zum Anziehen darin.
    Panisch warf ich ein Stück nach dem anderen hinter mich auf einen Haufen. Zu klein, zu groß, zu eng, blöder Ausschnitt, falsche Farbe (wann zum Teufel hatte ich mir ein Top in Lila gekauft?), das war für die Weihnachtsfeier, den Rock konnte ich nur mit Stiefeln anziehen, blöd, und das letzte Teil bekam den Titel: » Igitt– das hab ich noch?« Ich hatte keine Ahnung, welche von all diesen Klamotten mir noch passten und dann auch noch der Situation angemessen sein könnten.
    Aber ging es nicht sowieso eher um die inneren Werte? Irgendwas musste ich jetzt anziehen, egal, was, zack, zack! Ich zerrte einen uralten grünen Rock mit kaputtem Reißverschluss aus dem Riesenhaufen, dazu ein schwarzes Stretch-T-Shirt ohne Ärmel, mit einem riesigen V-Ausschnitt, Marke » Eng-aber-wird-schon-gehen«. Dann quetschte ich mich vorsichtig hinein, hielt die Luft an und zog den Bauch ein– wunderbar, das sah doch toll aus. Zumindest wenn ich so blieb und mich nicht bewegte. Haare hoch zum Pferdeschwanz gebunden– fertig war die Fernsehreporterin! Ach nein, noch Schuhe! Schnell in die schwarzen Ballerinas geschlüpft– jetzt ging es, zumindest äußerlich. Ich hetzte noch ein paar mal hin und her durch die Wohnung, flüsterte: » Scheißescheißescheiße«, suchte meine Tasche, meinen Schlüssel, mein Portemonnaie, meine Sonnenbrille und mein geliebtes Schminktäschchen zusammen, ohne das ich nie aus dem Haus ging, (ich finde, es sollte sogar mal einen Film geben mit dem Titel » Nicht ohne mein Schminktäschchen«) beschloss, mich im Auto zu schminken, und dann war ich auch schon unterwegs und klapperte meine zwei Stockwerke runter.
    9 . 25 Uhr, noch fünfunddreißig Minuten bis zum Termin, jetzt musste ich aber Gas geben, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, nix da mit metaphorisch– wie kam Jonas bloß auf so einen Quatsch? Wenn ich sage, ich will mir die Beine rasieren, meine ich das auch so, wofür sollte das denn wohl eine Metapher sein? Kopfschüttelnd rannte ich aus dem Haus und versuchte mich zu erinnern, wo ich mein Auto abgestellt hatte. Bis zur Palmaille würde ich bestimmt eine halbe Stunde brauchen, ich könnte es also schaffen. Jonas hatte mir erzählt, dass das Büro wohl mit Elbblick wäre. Als ob das wichtig fürs Arbeiten wäre, ob man auf die Alster, die Elbe, oder sonst ein Gewässer guckt. Okay, wenn man seine Kündigung erhält, kann man bei Regen und Sturm melancholisch draufstarren und/oder sich überlegen, ob man sich mit Steinen an den Füßen hineinstürzen möchte, aber ansonsten ist es doch egal. Mir fiel wieder ein, wo ich geparkt hatte, und ich schlug mir vor den Kopf. Mein Golf stand fast zwei Kilometer von meiner Wohnung entfernt am Eppendorfer Baum.
    Schön war die gesamte Gegend ja, nur leider etwas unterversorgt mit Parkmöglichkeiten. Ein absoluter Nachteil, wenn man in der Stadt wohnt und ein Auto nutzen möchte. Bei herrlichstem Frühlingswetter, achtzehn Grad und blauem Himmel, trabte ich los Richtung Auto.
    Für eine unsportliche Journalistin, die die letzten anderthalb Jahre ihre Tätigkeiten darauf beschränkt hatte, mit dem Golf zur Arbeit zu fahren und höchstens mal zu Fuß ins Balzac zu gehen, um sich einen kalorienreichen Karamel Macchiato zu gönnen, und am Wochenende mal etwas zu tanzen, wurde dieser kurze Weg zum Marathon. Ich

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