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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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eine Vertretungspraxis. Ich versuche Maja, die aus Leibeskräften schreit und sich windet, so gut es geht auf dem Arm zu halten, so dass die Sprechstundenhilfe mit dem Wattebausch Majas Bein desinfizieren kann. Keine Chance. Meine Tochter zappelt dermaßen, dass ich sie nur mit roher Gewalt festhalten könnte, und das will ich nicht. Die erste Spritze hat Maja eben bekommen. Zuerst war sie noch ganz vertrauensselig und lächelte mich an, aber als die Nadel in ihr Beinchen stach, schien sie erst überrascht, dann fing sie vor Empörung und Schmerzen an zu brüllen. Verständlich, dass sie diese Prozedur nicht auch noch an ihrem anderen pummeligen Beinchen vornehmen lassen will, ich kann sie mehr als verstehen. Ich versuche sie also zu trösten und mehr mich als sie davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung und völlig notwendig ist. Jetzt kann ich Impfgegner auch wirklich verstehen. Trotzdem will ich nicht, dass Maja sich eine immer noch potenziell tödliche Krankheit wie Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hepatitis B oder eine Pneumokokken-Infektion zuzieht. Deshalb lieber zweimal pieksen, so weh es Maja und meinem sensiblen Herzen auch tut. Mein Baby ist nach der zweiten Spritze völlig erschöpft.
    Ich verstehe ehrlich gesagt überhaupt nicht, warum der Kinderarzt, den wir hoffentlich heute auch noch zu Gesicht bekommen werden, die Untersuchung zur Früherkennung erst nach dem Impfen vornimmt. Vielleicht hatte er eben noch eine Runde Golf vor sich und musste jetzt erst schnell in die Praxis in der Alsterdorfer Straße eilen, wer weiß es schon? Unglücklicherweise erkenne ich in dem Schluchzen meiner Tochter auch deutliche Hungeranzeichen. Die Sprechstundenhilfe, stark geschminkt und mit langen schwarzen Rastazöpfen, hantiert mit manikürten Krallen noch an irgendwelchen Geräten herum, und ich frage sie nach einem Blick auf meine Uhr:
    » Ich müsste meine Tochter jetzt erst mal füttern, sie bekommt gleich richtig Hunger, das ist doch okay, oder?«
    Die Arzthelferin, auf deren Ansteckschild J. Berger steht, sieht verwirrt von ihrer Arbeit auf.
    » Aber ich müsste das Kind jetzt wiegen und messen«, sagt sie.
    Aha, das fällt ihr ja früh ein. Ich vergewissere mich, ob hier alles chronologisch richtig ist oder ob sie sich in der Reihenfolge vertan hat.
    » Sie sind aber schon sicher, dass die Impfung am Anfang gemacht wird?«, frage ich skeptisch.
    » Natürlich, das machen wir hier immer so«, meckert mich die J. Berger an.
    Als Maja ebenfalls zu meckern anfängt, reiche ich sie Frau Berger. » Dann bitte schön!« Während sie versucht, mein Kind, das an einen zappelnden Tintenfisch erinnert, auf die Waage zu legen, fange ich an, mit heißem Wasser aus meiner Thermoskanne ein vorbereitetes Milchfläschchen zuzubereiten. Maja wird, nackig wie sie ist, auf das Metall gelegt, J. notiert achttausendsechshundert Gramm, dann legt sie Maja auf den Untersuchungstisch und versucht sie zu messen. Ich schüttele das Fläschchen, damit sich das Milchpulver auflöst und spreche Maja gut zu: » Du bist gleich fertig, mein Schatz, die junge Dame will jetzt nur noch mal sehen, wie groß du schon bist! Hör doch bitte auf zu zappeln, Süße, sonst kriegen wir das nicht hin.«
    Hier läuft irgendwas nicht rund. Bis vor einer Woche war Maja noch krank, an der Lungenentzündung sind wir knapp vorbeigeschlittert, und jetzt schon wieder diese Strapazen, langsam hab ich die Nase voll davon. Auch wenn ich weiß, dass wir hier ja gleich wieder raus sind, ist mir dieses ganze Theater einfach zu viel.
    Die junge Frau Berger guckt mich böse an. » Sie müssen sich schon zurückhalten, sonst kann ich sie nicht messen!«, zischt sie giftig.
    Und so was arbeitet beim Kinderarzt! Ich bin empört, zische zurück: » Das hätten Sie wohl gerne!« und wende mich wieder meinem Kind zu, das jetzt etwas leiser weint und mich vorwurfsvoll und verwirrt anschaut. Sie versteht ja auch gar nicht, was hier vor sich geht.
    Am liebsten will ich Maja nur noch nehmen und abhauen, aber vorher muss ich sie noch füttern, und der gute Onkel Doktor will sie ja auch noch untersuchen. Ich schwitze in meinen Sommersachen, mein T-Shirt klebt an meinem Rücken, und ich bekomme leichte Kopfschmerzen. » Achtundsechzig Zentimeter«, verkündet J. Berger.
    Na super, das hätten wir dann wohl auch.
    Ich hebe Maja, ohne auf J. zu achten, vom Untersuchungstisch, drücke sie fest an mich und fange fast an mitzuweinen. Ich bin so eine Heulboje. Maja

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