Wickelkontakt - Roman
Der Konferenzraum wirkte dagegen gar nicht sommerlich, sondern sehr kühl, die Klimaanlage gab wohl ihr Bestes, und die Teppich- und Wandfarben in Blau und Grau verstärkten das etwas ungemütliche Ambiente.
Marciewski thronte hoheitsvoll am Ende des langen weißen Konferenztisches, so dass ich nicht recht wusste, ob ich mich in Türnähe ans andere Ende oder zu ihm an den Kopf der langen Tafel setzen sollte. Vielleicht war es auch Strategie, so was wie » Psychologie im Bewerbungsgespräch«… Mist, auch dazu hätte ich eigentlich etwas lesen sollen. Ach was, egal, dachte ich, und schritt beherzt zur Tat.
Herr Marciewski sah mir recht freundlich in die Augen. » Aaah, Frau Sonnenberg, da sind Sie ja!« Er machte aber keinerlei Anstalten aufzustehen, sondern wartete anscheinend, bis ich bei ihm angelangt war.
Jetzt bloß einen guten Endruck machen, nicht stolpern und nicht zu tief einatmen, sonst platzt mein T-Shirt, dachte ich noch. Ich schritt also, so schnell mein enger Rock und die flachen Ballerinas das zuließen, hoheitsvoll über den dicken Teppich, beugte mich über die Tischkante, streckte dabei meinen rechten Arm nach links in Richtung Chef, um ihm die Hand zu geben.
Mein fröhliches » Hallo, Herr Martinski« und ein langes ratschendes Geräusch waren gleichzeitig zu hören. Mein BH-Träger riss in dem Moment, als ich meine Hand ausgestreckt hatte. Wahrscheinlich war er der ungeheuren Belastung beim kleinen Spurt zum Auto nicht gewachsen gewesen, er war ja auch nicht mehr der jüngste– und die nächste Sekunde verging in Zeitlupe: Schwubbeldiwupp plumpste meine rechte Brust aus ihrem nun nicht mehr gesicherten Körbchen, und das genau auf Augenhöhe des Chefs vom Dienst!
In wenigen Sekundenbruchteilen wurde ich gleichzeitig hochrot, kalkweiß, schwitzte und fror, dann fiel mir erst ein, die nackte Brust wieder ins T-Shirt zurückzustopfen. Jetzt irgendwas sagen, dachte ich panisch– Hilfe, Sophie, mach irgendwas! Egal, was, rette dich! Dann sagte ich munter: » So, das hat ja super geklappt, Sie ahnen nicht, wie lange ich dafür geübt habe!«
Herr Marciewski sah mich an, wie die sprichwörtliche Kuh, wenn’s donnert. Dann fing er ungläubig an zu lachen. Er lachte und grölte, bis er fast hintenüber vom Stuhl kippte. Ich setzte mich derweil mit weichen Knien auf den Stuhl neben ihm, weil mir nämlich gar nicht nach Lachen, sondern eher nach Weinen zumute war. Dann musste ich aber doch grinsen angesichts der Absurdität dieser Situation und prustete los, bis wir beide so lachten, dass wir uns kaum noch auf den Stühlen halten konnten.
Als Herr Marciewski– dessen richtiger Name mir jetzt auch wieder einfiel– wieder Luft kriegte, sagte er: » Gratuliere– Sie haben den Job!« und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.
Dann sprachen wir übers Geschäftliche.
» Ich kann als Freie zum ersten Juni anfangen, und dann guck ich mir das mal alles in Ruhe an und bleibe sowieso erst mal hinter der Kamera«, erzählte ich Jonas eine Stunde später am Handy, mit vor Freude ganz hoher Stimme, während ich wieder nach Hause fuhr.
» Der war total begeistert von mir und meinte, so was Erfrischendes hätte er ja lange nicht erlebt!«, kicherte ich. Dass ich in meinen viel zu engen Klamotten förmlich aus allen Nähten geplatzt war, verschwieg ich lieber, das musste mein Schatz nicht unbedingt wissen.
» Hey, das ist super!«, freute er sich mit mir. » Und was genau ist jetzt deine Aufgabe?«
» Och, so ’n bisschen Recherche, schätze ich, aber das erklären die mir dann schon genau. Jetzt habe ich jedenfalls noch über einen Monat Zeit, mich wirklich auf die Arbeit vorzubereiten.« Ich freute mich auf einen Monat Urlaub. Der Mai war in Hamburg immer besonders schön– wenn es nicht gerade regnete. Ich plante schon, an der Elbe lange Spaziergänge zu machen und auch mal joggen zu gehen.
» Wie lief denn das Gespräch, hat alles gut geklappt?«, wollte Jonas wissen.
» Hm?«, machte ich nur. » Du, ich hör dich gar nicht mehr, ich meld mich später wieder, okay?« Dann legte ich auf und fuhr nach Hause. Jetzt hieß es Zeitungen lesen, Politiker auswendig lernen und die dpa checken. Wäre ja gelacht, wenn ich diese einmalige Chance jetzt nicht nutzen würde.
29
» Jetzt halten Sie sie doch mal richtig fest!«, meckerte mich die Sprechstundenhilfe des Vertretungskinderarztes an, bei dem ich heute Maja zur U 5 vorstelle. Leider ist Constantin, unser Arzt, im Urlaub, und ich muss in
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