Wickelkontakt - Roman
ich hatte, wie ich es mir vorgenommen hatte, viel Zeitung gelesen, war spazieren gegangen, hatte mich mittags zum Lunch mit Mona getroffen, abends mit Jonas an der Elbe gesessen und den ganzen Tag Nachrichten gehört, abends sogar Tagesthemen und Heute Journal geschaut. Ich wusste einfach alles.
» Das sagst du nur, weil du es gar nicht weißt«, feixte Jonas. Frechheit! Ich schlug ihn mit der Fliegenklatsche auf den Po.
» Pass bloß auf, wenn du mich weiter so ärgerst, setzt es was!«, drohte ich spielerisch.
» Au ja, da steh ich drauf!« Er grinste, und wir fingen an, lustiges » Gleich-setzt-es-was-mit-der-Fliegenklatsche-Fangen« durch meine Einzimmerwohnung zu spielen. Jonas versuchte, sich vor mir hinter Kartons zu verstecken, und ich tat so, als wolle ich ihm den Hintern versohlen. Nach kurzem Rumgealber nahm er mir die Klatsche aus der Hand– was für ihn ein Leichtes war–, hielt meine Hände fest und küsste mich.
» Ich freue mich schon so auf alles mit dir!«, sagte er.
Ich freute mich auch. Das Bett war schon auseinandergebaut, und wir ließen uns auf die Matratze fallen.
Der Umzug in die Himmelstraße am nächsten Tag verlief problemlos, Mona und einige Freunde von Jonas halfen uns, alles in den vierten Stock hinaufzuschleppen. Am Freitag und Samstag war schon fast alles an Ort und Stelle geschoben, aufgebaut und eingeräumt. Sonntagabend genossen wir Pizza vom Bringdienst und sahen uns immer noch leicht ungläubig in der neuen Wohnung um. Alles meins?, dachte ich und beobachtete heimlich Jonas, der ein großes Stück von seiner Thunfisch-Pizza abbiss. Wann würde ich anfangen, ihn eklig zu finden, es nicht mehr ertragen, wie er aß, saß, lachte, atmete? Niemals, beschloss ich.
Dienstagabend erzählte ich Jonas in unserer neuen Küche von meinem ersten Tag bei Hamburg aktuell.
» Wenn ich nicht eh schon so heiß auf diesen Fernsehjob gewesen wäre, hätte ich jetzt auf jeden Fall Blut geleckt!« Ich strahlte ihn an.
Passenderweise leckte Jonas gerade sein Nutella-Messer ab, hielt kurz inne und leckte dann weiter. Ich schwärmte richtig von meiner neuen Arbeit.
» Mit der Kamera unterwegs zu sein, Leute zu interviewen, Bilder zu schneiden und Musik zum Unterlegen auszusuchen, das macht so Spaß, und ich finde es so viel abwechslungsreicher als nur im Studio zu sitzen. Außerdem hab ich mit Martin Marciewski ausgehandelt, dass ich, außer im absoluten Notfall, immer erst um zehn Uhr anfangen muss!« Darüber freute ich mich ganz besonders. Ätsch, früher Vogel, ich hab gewonnen! Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Morgen sollte ich wieder um zehn da sein, dann durfte ich nach der Konferenz schon mit einem Team rausfahren.
» Und wann darfst du dann vor die Kamera?«, wollte Jonas wissen.
» Öhm, na ja, darüber haben wir jetzt nicht direkt gesprochen«, murmelte ich. Ehrlich gesagt, hatte Marciewski wohl nicht mal in Erwägung gezogen, mich vor der Kamera einzusetzen.
» Na, Hauptsache, ich kann die Beiträge dort sprechen, das reicht mir erst mal.«
Aber Jonas hatte schon Recht. Warum arbeitete ich bei einer Agentur für Fernsehnachrichten, wenn ich nicht zu sehen war?
Vielleicht konnte ich ja auch mal was Tolles für » Fünf vor Zwölf« machen, dem großen TV-Nachrichtenmagazin der Privaten. Lispeln konnte ich ja, und blond war ich auch, zumindest strähnchenweise, also wäre ich dafür die perfekte Besetzung.
» Was hast du gesagt?« Ständig hörte ich ihm nicht richtig zu und war mit meinen Gedanken woanders. Waren das schon meine neuen Starallüren?
» Ob wir uns Freitagabend wieder an der Elbe treffen wollen, an unserem Platz?«, fragte Jonas, anscheinend zum zweiten Mal. » Morgen habe ich Bandprobe«, fügte er hinzu.
» Ja, gerne«, sagte ich.
Wir aßen weiter Nutellabrote und sprachen über dies und das, bis das Telefon klingelte. Mona. Sie hatte wieder jemanden kennengelernt, einen Tischler namens Tarek, und berichtete mir haarklein von ihrem ersten Treffen.
Ich hörte ihr zwar zu, war aber in Gedanken bei meiner Arbeit. Ich stellte mir vor, wie ich als Reporterin große Berühmtheiten interviewte, zum Beispiel Gerhard Schröder, Franz Müntefering oder Harald Schmidt. Nach einer Stunde Geplauder mit Mona gab ich vor, müde zu sein, obwohl ich hellwach und aufgeregt war, und ging zu Jonas ins Bett. In dieser Nacht träumte ich von roten Teppichen, VIP-Partys und Fernsehpreisen für fantastische Reportagen.
Der Sand, der mir in die Flipflops krümelte, war noch
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