Wickelkontakt - Roman
warm, als ich drei Tage später gut gelaunt und mit einer Flasche Sekt ausgerüstet am Elbstrand entlanglief. Hier unterhalb des Jenischparks waren ziemlich viele Leute unterwegs, Grillgeruch lag in der Luft, überall saßen Grüppchen, lachten, aßen und tranken, alle wollten den schönen Juniabend ausnutzen– aber ich traf niemanden, den ich kannte. Nicht mal Jonas. Wo blieb er bloß? Wir hatten doch gesagt, an unserem Platz, und genau da stand ich nun, in einer kleinen Geheimbucht, die noch ein bisschen hinter dem Grillstrand lag, wo die vielen Hunde liefen, und wartete auf ihn. Jetzt schon bestimmt fünf Minuten lang. Total blöd. Nachdem ich zwei großen Containerschiffen zugesehen hatte, die Richtung große weite Welt an mir vorbeiglitten, zog ich mein Handy aus der Tasche, rief Jonas an, ließ mehrmals klingeln und legte genervt wieder auf. Ich wäre ja nicht ich, wenn ich jetzt lange und dauerhaft gut gelaunt geblieben wäre. Also wirklich.
Der Sand in meinen Latschen war auch gar nicht mehr warm, sondern kalt und klebte mir zwischen den Zehen, so dass ich die Schuhe lieber gleich in die Hand nahm und barfuß am Strand stand. Von der sommerlichen Wärme des Tages waren vielleicht noch zweiundzwanzig Grad übrig, aber hier im Schatten war es doch deutlich kühler. Und ich hatte ja auch keine Jacke mitgenommen, jedes Mal vergaß ich, dass das Hamburger Wetter mindestens so launisch war wie ich, und von jetzt auf gleich von Sonne auf Gewitter umschwenken konnte.
Wenn doch nur Jonas hier wäre, dachte ich, etwas enttäuscht darüber, dass er mich warten ließ. Wieder rief ich ihn auf dem Handy an, bis die Mailbox ansprang. Ich sprach ihm aber nichts drauf, er konnte sich ja sicher denken, was ich wollte. Überhaupt eine dämliche Idee, getrennt hierherzufahren, dachte ich. Ich hätte ihn auch nach der Arbeit in der Stadt abholen oder wir hätten uns erst zu Hause treffen können.
Um meine Laune noch zu verschlechtern, umkreisten mich jetzt ein paar Wespen. Wer es noch nicht weiß: Wespen sind das allerekligste Getier auf Gottes schöner Erde, schlimmer als Spinnen und Maden zusammen. Und sie kamen in Scharen! Brrrrummmm umschwirrten sie mich, stießen immer wieder auf mich nieder, entfernten sich kurz, um dann wieder anzugreifen. Panik durchschoss mich. Ich fing an, vor den Wespen wegzulaufen, kam aber nicht weit, bevor ich stolperte und in den Sand stürzte. Meine Flipflops setzte ich jetzt als Wespenklatschen ein und donnerte sie mindestens zweien vor den verdutzt aufsummenden Kopf. Wahrscheinlich hatten sie aber untereinander eine Art Funk, mit der sie nun Verstärkung anforderten– wo sich vorher nur so drei bis vier Wespen ein bisschen mit mir amüsieren wollten ( » hey, guckt mal, die können wir bestimmt ein bisschen ärgern, schwirr!«), umsausten mich jetzt bestimmt zwanzig, dreißig der gelb gestreiften Flugmonster. Ich hatte solche Angst, dass mir eine von ihnen in den Haaren hängen, in meinen Ausschnitt oder unter den Rock fliegen und mich stechen könnte, dass ich anfing zu heulen und weiter um mich fuchtelnd versuchte, ihnen zu entkommen.
Nach mehreren abgewehrten Wespenstichen beschloss ich, dass es so nun nicht den ganzen Abend weitergehen konnte. Ich rief verzweifelt um Hilfe, schrie laut auf und hüpfte herum, weil ich meinte, eine der Wespen an meinem Po unter meinem Kleid gefühlt zu haben! Endlich hörte ich laute und schnelle Schritte im Sand.
» Sophie!«, rief Jonas. Mein Retter! Mein Schatz! Mein Wespenflüsterer!
» Hilf mir«, schluchzte ich und wandte mich ihm zu. Er kam näher– unbewaffnet wollte er den Kampf mit den Killerinsekten aufnehmen.
» Ruuuuhig«, rief er beschwörend, allerdings meinte er nicht die Wespen, sondern mich, wie ich angesäuert feststellte.
» Entschuldigung, ich bin kein Pferd«, schnaubte ich ihn an. Als er so nah war, dass er mich in den Arm nehmen konnte, tat er das umgehend, strich mir die verschwitzten Haare aus dem Gesicht und hielt mich einfach fest.
» Die verschwinden, wenn wir uns nicht bewegen. Du Dummi, man muss doch ruhig bleiben, wenn Wespen in der Nähe sind«, sagte er und fügte besorgt hinzu: » Die wittern doch deine Angst.« Tatsächlich, die Wespen verzogen sich. Vor Jonas hatten sie offensichtlich Respekt. » Sophie Sonnenberg nicht mehr umkreisen«, funkte die Oberwespe den anderen zu. » Retter kennt sich mit Wespen aus!« » Aye, aye, Käpt’n«, antworteten die Angreifer und schnurrten davon, aufs nächste Opfer zu.
»
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