Wickelkontakt - Roman
Marsch auf den Holzbohlen so erschöpft bin, dass ich erst mal einen Kaffee und ein Stück Kuchen brauche. Aber das vergesse ich jedes Mal und schwärme nach jedem Wochenende: » Oh, da müssen wir unbedingt bald wieder hin, ja? Versprichst du mir das?« Einmal wollten wir statt am Meer lieber in der Therme schwimmen gehen, und es dauerte Stunden und Tage, bis ich mich dafür bereit fühlte, mich der Welt in meinem neuen orange gestreiften Badeanzug zu präsentieren– und als wir endlich ankamen, war die Therme wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Natürlich folgten daraufhin eine enorme Auseinandersetzung (denn meiner Meinung nach hätte Jonas das ja wissen müssen), viele Tränen und ein langer Versöhnungsabend.
» Na ja«, sagt Jonas jetzt. » Ich kann ja die Sachen tragen, und du trägst das Kind.«
Ja, so machen wir das. Was würde ich alles für ein Tragetuch geben! Jetzt muss ich sie in der schweren Autoschale zum Strand schleppen…
Ich habe einfach Angst, wenn ich sie ungesichert trage, dass sie mir runterfällt. Wahrscheinlich traue ich mir generell nicht viel zu. Aber sicher ist sicher.
Also packen wir erst alle restlichen Klamotten ins Häuschen, dann ein paar Sachen für den Ausflug zum Meer (Sonnenschirm, Decken, Handtücher, Windeln, Fläschchen, Thermoskanne, Milchpulver, Feuchttücher, trockene Tücher, Spielzeug und Bücher sowie Klamotten für Maja zum Umziehen und Badesachen für uns); ich klemme mir den Maxi-Cosi samt Kind unter den Arm, Jonas hängt sich zwei Taschen um die Schultern, und so ausgerüstet marschieren wir los, wie Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem, um endlich etwas Meeresrauschen, Sonnenschein und vielleicht die ein oder andere Muschel zu Gesicht zu bekommen. Nur dass ich nicht mehr schwanger bin, versteht sich, und Maria und Josef sicher auch keine Muscheln suchen wollten, aber ähnlich bepackt werden die beiden wohl auch gewesen sein.
Wir kommen wieder genau bis zum Pfahlbau, nachdem wir auf dem Steg mindestens achtzehn Mal unsere Sachen absetzen und unsere Arme ausschütteln mussten. Ächz, was ist dieses Kind schwer! Nicht nur das, jetzt weht auch noch ein frischer Wind, so dass sich der bis dahin noch spätsommerliche Septembertag zusehends in einen frühherbstlichen verwandelt. Die steife Brise zieht und zerrt an mir, und die Einzige, die nichts vom Urlaub mitbekommt, ist Maja, die schläft nämlich wieder wunderbar in ihrem kleinen Körbchen.
Im Restaurant Zur blauen Möwe suchen wir uns einen Platz am Fenster, damit wir das Meer wenigstens mal gesehen haben. Da aber gerade Ebbe ist, klappt nicht mal das, nur in weiter Ferne sieht man etwas glitzern, wenn man genau hinschaut. Na ja. Auch nicht so schlimm, da es inzwischen eh fast dunkel ist. Wir können uns ja einbilden, dass das Restaurant direkt am Meer steht. Wenigstens höre ich noch ein entferntes Rauschen. Ach nee, das ist die Dunstabzugshaube in der Küche. Um den Urlaub, unseren ersten mit Maja, einzuläuten, gönne ich mir ein Glas Rotwein.
» Das ist doch schon mal ganz gut gelaufen, oder?« Ich proste Jonas zu, der an seinem Bier nippt und nichts sagt.
Auf dem Rückweg fängt es an zu regnen, und wir haben noch zwei Kilometer bis zu unserem Häuschen vor uns. Maja weint und schreit in ihrem Sitz, und die anderen Urlauber, die mit uns zusammen in Scharen den Strand verlassen, sehen uns vorwurfsvoll an. Nur ein junges Paar, das ähnlich beladen ist wie wir, seine zwei Kinder und sämtliche Strandsachen aber auf einen Bollerwagen und einen Buggy verteilt hat, lächelt mitleidig, vielleicht aber auch schadenfroh. Als wir durchnässt im Ferienhaus ankommen, ziehe ich Maja sofort um– nicht, dass sie gleich wieder krank wird–, füttere sie und lege sie ins Reisebett. Dort schläft sie, dem Himmel sei Dank, sofort ein und nuckelt seufzend an ihrem Schnuller.
Jonas wirft die elektrische Sauna an, ich kümmere mich ums Abendbrot und um das Kaminfeuer, und draußen tobt ein Gewitter, das es in sich hat. Nach der Sauna machen wir es uns auf der Couch vor dem kleinen Kaminofen gemütlich. Jonas massiert meine Füße, und ich strecke mich wohlig aus.
Endlich kommen wir mal wieder an einen Punkt, an dem wir feststellen, dass das Leben an sich und besonders für uns gar nicht so schlecht ist. Den Gedanken daran, dass ich eigentlich bald wieder anfangen wollte zu arbeiten, habe ich in den letzten Wochen weit von mir geschoben, aber ausgerechnet an diesem gemütlichen Abend fühle ich, wie er leise
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