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Wider die Unendlichkeit

Wider die Unendlichkeit

Titel: Wider die Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Kellnerin kam, und Manuel griff begierig nach seinem Drink. Das war schlimmer, als er erwartete hatte. Die Kellnerin stellte den Rum hin. »Es war nicht Rum adopolc«, korrigierte Gutierrez streng. »Ich wollte Glühwein.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Manuel. »Ich nehme den Rum. Ich bezahle ihn. Bringen Sie ihm bitte, was er jetzt bestellt.«
    »Was ich bestellt hatte«, verbesserte ihn Gutierrez.
    Die Kellnerin kam rasch mit dem Glühwein zurück. Sie saßen schweigend da. Der eine trank das kühle, bronzefarbene Getränk mit dem malzigen Aroma und dem mild-frischen, belebenden Geschmack, der andere hob die Tasse mit der dichten Wärme und trank sie in einem Zug mit hüpfendem Adamsapfel zur Hälfte leer. Manuel hoffte, mit der Gesellschaftstheorie wäre er nun zu Ende – es klang alles nach Erdgeschwätz. Gutierrez war einflußreich, das wußte er, und es war ein Rätsel, warum der Mann einem Petro-Arbeiter aus einer obskuren Siedlung überhaupt seine Aufmerksamkeit widmete. Da war die Sache mit dem Aleph, aber Manuel lehnte es ab, darüber zu sprechen, und er hoffte, inzwischen hätte es jeder vergessen.
    »Und darin liegt die eigentliche Komik«, nahm Gutierrez den Faden auf, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. »Sehen Sie, die Marxisten haben immer angenommen, der nächste Schritt würde den Zyklus von Widerspruch und Wandel vollenden. Wirklich lustig! Weil sie sich keinen weiteren Wandel jenseits des Sozialismus vorstellen konnten, nahmen sie an – ohne nachzudenken –, es würde keinen geben ! Sie bemerkten nicht, daß das dialektische Modell keine letzte Revolution vorhersagte. Aus einer materialistischen Perspektive gibt es keine Notwendigkeit für eine letzte Revolution. Statt dessen gibt es ein Gleichgewicht zwischen beiden Formen. Da haben wir die Menschheit: mit einem verfeinerten, humanitären Sozialismus im älteren, bevölkerten Kern und einem Kapitalismus, der am Rand wie Unkraut wuchert.«
    »Und um das zu erhalten, überfallen Halbstarke mich auf der Straße.«
    »Nicht, wenn man sie erwartet.« Gutierrez schwenkte sein Cape in einem halben Bogen. Sein Lächeln entblößte gleichmäßige, weiße Zähne. »Das hier habe ich selbst gemacht. Die einzige Marktkleidung, die ich trage, ist Unterwäsche.« Er lachte vergnügt. »Sie müssen lernen, mit dem Strom zu schwimmen, Manuel.«
    In diesem Augenblick kam auf dem Gehweg unter ihnen ein hagerer, dunkelhäutiger Mann mit kantigen Wangenknochen vorbei, begleitet von zwei ähnlichen Männern. Sie alle trugen fließende, dunkelgrüne Umhänge, wie Manuel sie noch nie gesehen hatte. Der Mann blickte zur Veranda und ihrem Tisch hoch und winkte. Dann wandte er die Augen ab, und die drei gingen weiter.
    »Haben Sie gesehen, wie ich den abblitzen ließ?« fragte Gutierrez. »Haben Sie das gesehen?«
    »Nein. Wen haben Sie abblitzen lassen?«
    »Den da, den neuen Erdler. Piet Arnold.« Er lachte. »Dem habe ich vielleicht ein Abfuhr erteilt.«
    »Ich sah ihn winken.«
    »Ja! Ich habe ihn angeschaut, damit er wußte, ich habe ihn gesehen …«
    »Und dann weggeschaut, ohne zu winken.«
    »Sz. Sie haben’s also bemerkt.«
    »Warum haben Sie das getan?« Manuel nahm einen Schluck von dem Rum.
    »O Mann, ihr Siedlungs-Typen trinkt ordentlich.«
    »Manchmal. Wenn es rauher zugeht als normal. Warum haben Sie ihn abblitzen lassen?«
    »Er kommt aus einer politischen Gruppe – den Kodonzeniten –, die die Existenz der Menschen auf Ganymed ablehnt.«
    »Wie das?«
    »Die Artefakte. Sie wollen jede Welt, auf der ein Artefakt existiert, verschonen, um sie unberührt zu erhalten, bis das Artefakt vollständig begriffen wird.«
    »Hm. Klingt verrückt. Sie ignorieren ihn also, weil Sie anderer Meinung sind?«
    »Nur, wenn er von entsprechender Statur ist.«
    »Statur?«
    »Si. Warum sollte man jemanden verächtlich behandeln, den man normalerweise überhaupt nicht bemerken würde? Das fiele gar nicht auf.«
    »Verstehe. Zuerst muß man sie kennen.«
    »Allerdings. Übrigens ignoriert man sie nicht einfach. Man weigert sich bewußt, sie zu erkennen.«
    »Ein wichtiger Unterschied. Sie kennen ihn also.«
    »Ich bin ihm gestern bei einem Staatsempfang begegnet. Er ist Leiter eines Erdlerteams. Sie sollen hier die Gruppe ergänzen, die das Artefakt studiert, das Ding, das Sie …«
    Erneut zeigte Gutierrez die strahlend weißen Zähne und trank. Glühwein tropfte von seinem Bart. »Ich verbringe meine Zeit nur mit wichtigen Leuten.«
    »Warum trinken Sie dann

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